Britische Presse über Brown:"Messer im Rücken"

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Großbritanniens Zeitungen schreiben schon den Abgesang auf die Regierung Brown. Die entscheidende Frage: Hält sich der Premier Tage - oder nur noch Stunden?

Oliver Bilger

Jonathan Powell, früher Stabschef von Tony Blair, sagte einst, Gordon Brown sei wie ein Charakter einer Shakespeare-Tragödie. Er werde niemals sein großes Ziel erreichen, Premierminister zu werden. Heute, Brown ist britischer Premier, könnte es sogar noch schlimmer kommen: Brown könnte in seinem Amt abgelöst werden, noch bevor er sich den Bürgern jemals zu einer Wahl stellen konnte. 2007 übernahm er das Amt von seinem Vorgänger Blair.

Premier Brown ist nicht mehr lange im Amt, ist sich die britische Presse einig. (Foto: Foto: AFP)

Rachel Sylvester, Kolumnistin der Londoner Tageszeitung The Times ist sich sicher, dass in wenigen Tagen - "womöglich sogar innerhalb von Stunden" - klar sein wird, ob Brown eine solch tragische Rolle zuteilwird.

Die von Brown eingeleitete Kabinettsumbildung zeige dessen wachsende Schwäche, hieß es in der Times weiter. Diese Maßnahme hat der Premier ergriffen, nachdem im Zuge des Spesenskandals innerhalb von vier Tagen vier Minister zurückgetreten waren. Binnen weniger Stunden legten Verteidigungsminister John Hutton und Arbeitsminister James Purnell ihre Ämter nieder. Als erstes Regierungsmitglied hatte Purnell Brown offen aufgefordert, sein Amt niederzulegen.

Deutlicher Worten bedienten sich auch die Kolumnisten des Guardian. Brown sei politisch "halbtot" und taumele mit einem Messer in seinem Rücken herum, schreibt Polly Toynbee auf der Webseite der Tageszeitung. Das Bild des "Messers im Rücken" benutzt auch das Boulevardblatt Daily Mirror in seiner Berichterstattung.

"Vielleicht heute, sicher aber am Wochenende"

"Schwer verletzt" sei Brown, schreibt Kolumnist Martin Kettle vom Guardian: "Browns müde und torkelnde Regierung dürfte noch ein paar Tage länger zusammenhalten, aber im Grunde ist sie erledigt." Brown werde zurücktreten: "Vielleicht heute, sicher aber am Wochenende." Jetzt gehe es um die Frage, wie es mit der Labour-Partei weitergeht.

In seinem Leitartikel erinnert auch der Guardian daran, dass Blair früher oftmals von Brown-Getreuen bedrängt geführt habe. Nun sei es Brown selbst, der sich von Modernisierern belagert fühle.

Die Daily Mail nannte Purnells Rücktritt und die Aufforderung an Brown, sein Amt abzugeben, eine "weitere erniedrigende Brüskierung". Der Daily Telegraph schrieb von einem "vernichtenden Rücktrittsgesuch".

Natürlich äußerten auch Zeitungsleser ihre Meinung zum Spesenskandal. "Wo ist Blair?", fragte ein Internetnutzer aus East Yorkshire im Forum der Daily Mail. Er habe die Probleme seiner Partei ausgelöst. Jetzt sei das Schiff am sinken und man könnte glauben, dass der Ex-Premier mit einer Schwimmweste auftauche. Wahrscheinlich gebe er aber einfach die Millionen aus, die er nach seit seinem Rückzug aus Number 10 Downing Street verdient habe.

Ein User Namens Stan fasste seine Sicht in knappere Worte und schrieb: "Bye-bye Labour."

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