BND-Ausschuss:Nichts gehört, nichts gesehen

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Der frühere Außenminister Joschka Fischer und sein Nachfolger Frank-Walter Steinmeier sagen vor dem Untersuchungsausschuss aus, was sie über den Fall el-Masri wussten.

Peter Blechschmidt

Wie sich die Bilder gleichen. Rennende Fotografen kündigen das Ereignis an. Gut anderthalb Jahre nach seinem Auftritt im Visa-Untersuchungsausschuss ist Joschka Fischer wieder Zeuge im Saal 3.101 des Elisabeth-Lüders-Hauses, in einem der Betonklötze des Abgeordneten-Ensembles rund um den Reichstag.

Vor dem BND-Untersuchungsausschuss soll der Ex-Außenminister aussagen, was er über die Entführung des Deutsch-Libanesen Khaled el-Masri durch den US-Geheimdienst CIA nach Afghanistan Anfang 2004 weiß. An Anspielungen auf seine Erfahrung als Zeuge ist kein Mangel, vor allem, was "die eingeschränkte Belastbarkeit des menschlichen Gedächtnisses", so Fischer, angeht.

Knapp zwei Stunden später als geplant betritt Fischer den Saal. Das Sakko des blauen Anzugs steht unter dem zerknautschten Trenchcoat weit offen. Die Gastprofessoren-Tätigkeit in Princeton scheint nicht nur einen Zuwachs an Weisheit bewirkt zu haben.

Ungewöhnliche Höflichkeit

Er grüßt allerseits - und besonders höflich den Ausschussvorsitzenden Siegfried Kauder (CDU), mit dem er sich im Visa-Ausschuss heftige Wortgefechte geliefert hatte.

Fischer beteuert in einer kurzen Eingangserklärung, dass er vom Fall el-Masri erst im Juni 2004 durch einen Brief des Masri-Anwalts an das Auswärtige Amt erfahren habe, dass er von irgendwelchen Informationen deutscher Geheimdienste an die Amerikaner über el-Masri nichts wisse, und dass er die ganze Handhabung der Aufklärung durch die Regierung und die deutschen Behörden für "ordentlich" halte.

Interessant wird es, als Fischer auf Otto Schily (SPD) zu sprechen kommt, mit dem er sich schon wegen der Visa-Affäre gefetzt hatte. Dem einstigen Bundesinnenminister weist er - und dieser Akzent ist neu im Ausschuss - die tragende Rolle bei allen Bemühungen zu, den Fall el-Masri mit den US-Behörden zu klären - was bislang, so weit bekannt, allerdings nicht gelungen ist.

Er sei nicht "irritiert" darüber, dass Schily am 31. Mai 2004 vom damaligen US-Botschafter in Berlin, Daniel Coats, über die Entführung el-Masris informiert worden war, sagt Fischer. Aber bewerten will er dies auch nicht, ebenso wenig wie die Tatsache, dass er von diesem Gespräch erst Anfang Dezember 2005 aus der Washington Post erfahren habe. Dass ihm dies nicht gefallen hat, lässt Fischer dennoch durchblicken.

Andererseits sei dieses Gespräch Beleg für die "besonderen Beziehungen" Schilys zu den Amerikanern, die man zu Recht nutzen wollte. Denn auf diplomatischer Ebene, auch das macht Fischer deutlich, waren die Türen in Amerika zu. Schuld daran waren der Vorwurf der Amerikaner, dass die deutschen Dienste die Anschläge vom 11. September, ausgeführt von der sogenannten Hamburger Zelle um Mohammed Atta, hätten verhindern können, und die angespannten Beziehungen seit dem Irak-Krieg.

Widerspruch zwischen Fischer und Steinmeier

Fischers Version vom Spezialauftrag des Kabinetts an Schily widerspricht später Frank-Walter Steinmeier, der bis November 2005 Chef des Bundeskanzleramtes war und nach Fischer als Zeuge an der Reihe ist. Wenn es eine entsprechende Entscheidung im Kabinett gegeben haben sollte, dann wäre er jedenfalls nicht dabei gewesen, sagt Steinmeier.

Zuvor hat er eine Stunde lang beschrieben, unter welchem Druck die Bundesregierung angesichts der Terrorgefahr seinerzeit gestanden habe. Gleichwohl habe sie sich auch beim Kampf gegen den Terrorismus stets von Recht und Gesetz leiten lassen. Zur Entführung el-Masris habe keine deutsche Behörde Beihilfe geleistet.

Anders als später Steinmeier sorgt Fischer zumindest anfangs mit erwarteter Ironie für Heiterkeit. Allerdings nur so lange, bis der Linkspartei-Abgeordnete Wolfgang Neskovic sich weigert, Fragen an ihn zu richten, weil er mehr zur Abteilung Unterhaltungswert als zur Abteilung Erkenntniswert gehöre. Den Vorwurf weist Fischer empört zurück.

Nach zweieinviertel Stunden schiebt Fischer seine wenigen Unterlagen in einem blauen Aktendeckel zusammen. Auf eine nicht-öffentliche Sitzung wird verzichtet. Er wünscht noch fröhliche Weihnachten und ein "freudiges Wiedersehen" im nächsten Jahr, wenn der Ausschuss andere Themen wie den Fall des Bremer Türken Murat Kurnaz behandeln wird. Dann räumt Fischer den Stuhl für Steinmeier.

© SZ vom 15.12.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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