BND-Affäre:Journalisten dürfen nicht mehr "angezapft" werden

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Jahrelang sind Journalisten offenbar mit Wissen der BND-Spitze ausspioniert worden. Die FDP warf dem Nachrichtendienst daraufhin "Stasi-Methoden" vor. Das Kanzleramt hat nun Konsequenzen gezogen.

Per Erlass hat das Kanzleramt den Bundesnachrichtendienst angewiesen, dass bei der Suche nach "undichten Stellen" in den eigenen Reihen Medienvertreter nicht länger als Quellen benutzt werden dürfen.

"Das Bundeskanzleramt hat heute angewiesen, dass bei operativen Maßnahmen seiner Eigensicherung keine Journalisten als Quellen zu führen sind", sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.

Außerdem sollen zu diesem Zweck, also etwa um zu verhindern, dass ungewollt Informationen aus dem BND sickern, keine operativen Maßnahmen gegen Journalisten durchgeführt werden.

Laut dem Vorsitzenden des BND-Untersuchungsausschusses, Siegfried Kauder (CDU), könnte der Untersuchungsauftrag um das Thema Bespitzelung erweitert werden. Der FDP-Vertreter Max Stadler drohte in der Bild-Zeitung ebenfalls mit einer Erweiterung des Untersuchungsauftrags, sollte die Regierung die Vorgänge nicht selbst öffentlich aufklären.

Das Gremium soll bisher die umstrittenen Aktivitäten des BND während des Irak-Krieges, die Verschleppung des Deutsch-Libanesen Khaled el Masri, die mutmaßlichen CIA-Gefangenenflüge sowie Verhöre von Terrorverdächtigen durch deutsche Beamte beleuchten.

Unterstützung von Schäuble

Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) gab eine Vertrauenserklärung für die früheren BND-Präsidenten Geiger und August Hanning ab. Beide Präsidenten hätten sich in ihrer Amtszeit mit aller Kraft bemüht, den BND aus dem Zwielicht herauszuführen, sagte Schäuble der SZ.

Nach seiner Ansicht darf und muss der BND verhindern, dass mit Material aus seinem Hause schwunghafter Handel getrieben wird. Dass solche Apparate dann zu Übertreibungen neigten, sei leider eine alltägliche Erfahrung, sagte Schäuble. Der Innenminister erklärte, er sehe durch die Spitzelaktionen "am Ende keine Gefahr für die Pressefreiheit". Immerhin seien diese Spitzeleien offiziell aufgedeckt worden.

Leutheusser-Schnarrenberger: "Stasi-Methoden"

Dagegen befürchtet die ehemalige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die Affäre könnte vor allem in Ostdeutschland zu einer tiefen Enttäuschung über die Demokratie führen. Was der BND praktiziert habe, sei nichts anderes als "Stasi-Methoden", sagte das FDP-Präsidiumsmitglied der Chemnitzer Freien Presse. Sie forderte, nicht nur im BND nach den Verantwortlichen für die Affäre zu suchen, sondern auch im Kanzleramt.

Auch der ehemalige Geheimdienstkoordinator Bernd Schmidbauer (CDU) hat sich für eine öffentliche Aufarbeitung der BND-Bespitzelungsaffäre ausgesprochen. Er sei "sehr dafür, dass die Dinge nun transparent gemacht werden", sagte er der Zeitung Die Welt. Gleichzeitig wies er jegliche Beteiligung an den Vorgängen zurück.

"Es gab unter den Journalisten Opfer, aber auch Täter"

Er habe in seiner Zeit als Staatsminister im Kanzleramt "sofort verfügt, dass keine Journalisten angeworben werden". Im Fall "Dali" habe die damalige BND-Spitze jedoch "hinter meinem Rücken" agiert. Insgesamt seien die Beschattungen von Journalisten "aus heutiger Sicht nicht verhältnismäßig" gewesen. Allerdings müsse jeder Fall einzeln bewertet werden: "Es gab unter den Journalisten Opfer, aber auch Täter."

Der ehemalige Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Hansjörg Geiger, hatte die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückgewiesen. Er habe die Bespitzelung von Journalisten weder veranlasst noch befürwortet, sagte Geiger der Süddeutschen Zeitung. Allerdings räumte er ein, dass der Dienst mit dem Journalisten Wilhelm D. zusammengearbeitet habe.

"Absolut unakzeptabel"

Ihm sei durch den damaligen BND-Abwehrchef Volker Foertsch bekannt gemacht worden, dass der Journalist D. in der Vergangenheit für den BND gearbeitet habe, sagte Geiger der Süddeutschen Zeitung. Foertsch habe ihm mitgeteilt, es müsse dafür gesorgt werden, dass D. "nicht aus dem Ruder" laufe.

Es müsse mit ihm Kontakt gehalten werden, ohne "mehr mit ihm zu machen". Einen Vermerk, wonach er den Journalisten D. selbst als Spitzel eingesetzt habe, kenne er jedoch nicht, sagte Geiger der SZ weiter. Er nannte die Bespitzelung von Journalisten durch einen Kollegen "absolut unakzeptabel".

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