BKA:Falschinformationen "jenseits der Vorstellungen"

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Die spanische Regierung hat nach den Anschlägen von Madrid offenbar aus wahltaktischen Gründen versucht, den Verdacht auf die Eta zu lenken. Nicht nur Präsident Aznar bemühte sich, Journalisten in persönlichen Telefonaten von der Täterschaft der baskischen Separatisten zu überzeugen. Auch das Bundeskriminalamt wurde falsch informiert.

Nach Recherchen des ARD-Hauptstadtstudios wurde das Bundeskriminalamt (BKA) zwei Mal falsch über den Sprengstoff aus dem Attentat in Madrid informiert.

Damit sollte offenbar vor der Wahl in Spanien der Verdacht auf die baskische Separatistenorganisation Eta gelenkt werden. Ein hochrangiger Sicherheitsbeamter habe von Falschinformationen "jenseits seiner Vorstellungen" gesprochen. Eine BKA-Sprecherin wollte den Bericht nicht kommentieren.

Zunächst habe es geheißen, der Anschlag sei mit dem Sprengstoff Tinamyd verübt worden, der üblicherweise von der Eta verwendet werde. Am Samstag sei dann mitgeteilt worden, die Sprengsätze seien aus dem Dynamit Goma 2 Eco hergestellt, der ebenfalls von der Eta benutzt werde.

Nach der Wahl, die einen überraschenden Sieg der Sozialisten gebracht hatten, sei dann am Montag die letzte Version gekommen, wonach Goma 2 Eco in dieser Form noch nicht von der Eta benutzt worden sei.

Gefilterte Informationen bis zum Wahltag

Der Sprengstoff sei für die deutschen Sicherheitsbehörden bis Samstag das wichtigste Indiz für die Täterschaft der Eta gewesen, heißt es in der Mitteilung.

Auch sei bis zur Wahl verschwiegen worden, dass die Zünder an den Sprengsätzen noch nie von der Eta benutzt worden seien. Auch nach der Festnahme von drei Marokkanern und zwei Indern am Samstag sei dem BKA-Verbindungsmann in Madrid mitgeteilt worden, dass man eine Verbindung zu islamistischen Kreisen nicht bestätigen könne.

In einem Vermerk vom Sonntag beklagt das Bundeskriminalamt laut ARD, "dass sich die spanischen Staatsschutzdienststellen angesichts der unmittelbar bevorstehenden Parlamentswahlen mit konkreten Aussagen sehr zurückgehalten" hätten. Der BKA-Verbindungsmann sei auf Montag, den Tag nach der Wahl, vertröstet worden.

Vorwurf: Ausländische Journalisten wurden beeinflusst

Der Foreign Press Club, eine Organisation der Auslandskorrespondenten in Spanien, berichtete am Dienstag, dass die spanische Regierung direkt nach den Anschlägen versucht habe, die Berichterstattung über die Tat zu beeinflussen.

Mehreren ausländischen Journalisten sei von ranghohen Regierungsmitarbeitern die baskische Untergrundorganisation ETA als Täterin ans Herz gelegt worden. Der Herausgeber der Tageszeitung El Periodico kritisierte ebenfalls eine versuchte Einflussnahme auf Reporter.

Bei Korrespondenten seien Anrufe aus dem Büro von Ministerpräsident José Maria Aznar eingegangen "mit der ausdrücklichen Bitte, in unseren Berichten und Sendungen darauf hinzuweisen, dass Eta die Urheber der Madrider Anschläge seien", schrieb der Leiter des Foreign Press Clubs, Steven Adolf. Einige Telefonate seien geführt worden, nachdem bereits ein verdächtiger Lieferwagen mit einer auf arabisch besprochenen Kassette gefunden war.

Aznar griff selbst zum Telefon

Der Herausgeber von El Periodico, Antonio Franco, schrieb, er sei von Aznar persönlich angerufen worden, als die Zeitung eine Sonderausgabe zu den Anschlägen vorbereitete. In dieser Ausgabe wurde die Eta für die Taten verantwortlich gemacht. Dies gehe auf eine Aussage Aznars zurück, so Franco. Der Ministerpräsident habe ihm wörtlich gesagt: "Es war die Eta. Haben Sie daran nicht den geringsten Zweifel".

Eine Täterschaft der Eta hätte Aznars konservativer Volkspartei bei der Parlamentswahl drei Tage nach den Anschlägen genützt, eine vermutete Beteiligung islamischer Extremisten dagegen geschadet. Aznar hatte sich gegen den Widerstand eines Großteils der Bevölkerung am Irak-Krieg beteiligt; viele sahen in den Anschlägen einen Racheakt für die Irak-Politik des Regierungschefs. Die Spanier stimmte bei der Parlamentswahl für einen Regierungswechsel.

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