Bescheidenes Repertoire des iranischen Präsidenten:Viel Rauch mit wenig Feuer

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Wie Mahmud Ahmadinedschad sich mit Versatzstücken den Beifall seiner Landsleute sichert.

Rudolph Chimelli

Mahmud Ahmadinedschad ist Irans erster Pop-Präsident. Wie keiner seiner Vorgänger versteht er es, sein Publikum mit den einfachen, aber wirksamen Mitteln zu faszinieren oder zu schockieren, die auch Massenmedien, Werbung und Unterhaltungsindustrie benutzen. In weniger als einem Amtsjahr ist es ihm gelungen, sich an der Kleriker-Elite, die ein Vierteljahrhundert lang die Islamische Republik beherrschte, vorbeizuspielen. Alle reden über ihn und fast nur über ihn - wobei allein der geistliche Führer Ali Chamenei durch seine Machtworte zu erkennen gibt, dass die letzte Entscheidung nach wie vor bei ihm liegt.

Groß ist Ahmadinedschads Repertoire nicht. In seinem jüngsten Interview mit dem Spiegel zieht er wie schon oft den Holocaust in Zweifel, bestreitet Israel das Existenzrecht sowie die Aussicht auf Fortbestand. Er weiß, dass er damit bei deutschen Gesprächspartnern noch mehr als bei anderen auf Widerspruch stoßen muss, was ihm wiederum die Gelegenheit sichert, seine anstößigen Thesen endlos auszubreiten. Neue Denkelemente sind auch diesmal nicht zu erkennen. Sein Ruf als Erzbösewicht der westlichen Welt ist gesichert.

Sein zweites Versatzstück ist das Bestehen auf dem Recht Irans, Uran anzureichern. Dafür hat er derzeit den plebiszitartigen Beifall seiner Landsleute, der freilich auf der unsicheren Annahme beruht, es werde schon alles gut gehen und die Amerikaner würden letztlich den Alleingang Teherans hinnehmen. Auch hier erzeugt der Präsident sehr viel Rauch mit sehr wenig Feuer. Am 11. April hatte Ahmadinedschad in einem öffentlichen Spektakel, das an nordkoreanische Rituale erinnerte, verkündet, Iran gehöre nun dem Atomclub an.

Innere Angelegenheit und außenpolitisches Reizthema

Öffentlich Widerspruch zu äußern ist seither angesichts kollektiver Erinnerungen an frühere nationale Demütigungen durch das Ausland nicht populär. Ahmadinedschads Triumph bestand darin, dass in der Anreicherungsanlage von Natans mittels einer Kaskade von 164 Zentrifugen Hexafluoridgas auf einen Radioaktivitätsgrad von 3,5 Prozent angehoben worden war: eine winzige Menge, die es nicht lohnt, einen Konflikt mit einer Weltmacht zu riskieren. Durch die Einsicht, welche die Inspekteure der Inter-nationalen Atomagentur in Wien immer noch nehmen können, weiß man inzwischen, dass die Iraner dazu ihr eigenes Uran bereits durch Importe aus China ergänzen mussten. Das eigene Material war, so die New York Times dazu aus Wien, so stark verunreinigt, dass es die Lebensdauer der Zentrifugen zu verkürzen drohte. Anscheinend wurde die Anreicherung schon nach zwölf Tagen wieder eingestellt.

Am 17. Mai kündigte die Wiener Agentur an, die Iraner würden noch im Laufe des Monats sowie im Juni zwei weitere Kaskaden von je 164 Zentrifugen in Betrieb nehmen. Nach iranischen Angaben soll die Modell-Anlage von Natans möglicherweise bis Ende des Jahres aus sechs Kaskaden mit insgesamt 984 Zentrifugen aufgebaut werden. Doch die Verwirklichung scheint sich hinzuziehen. Im Augenblick laufen die ersten 164 Zentrifugen leer mit Höchstgeschwindigkeit, gleichsam ein Symbol für die iranische Atompolitik. Die Zentrifugen zu verlangsamen, könnte sie angeblich aus der Achse bringen. "Stillstand wäre Rückgang" bescheinigt Chamenei seinen "erfolgreichen jungen Wissenschaftlern" und seinem Präsidenten.

Da die Atomwirtschaft zugleich innere Angelegenheit und außenpolitisches Reizthema ist, hat Ahmadinedschad mit seinem Klamauk um die Uran-Anreicherung den Klimmzug in Bereiche geschafft, die nie zur Domäne iranischer Präsidenten gehörten. Irans Partner mussten in der Vergangenheit die traurige Erfahrung machen, dass Vereinbarungen mit dem Reformpräsidenten Mohammed Chatami in der Praxis nur bedingt Wert hatten. Schon dessen Vorgänger Haschemi Rafsandschani war in den neunziger Jahren mit seinen behutsamen Versuchen gescheitert, das Verhältnis zu den USA zu reparieren. Unmissverständlich machte der geistliche Führer klar, dass Präsident und Regierung nicht für die Gestaltung von Gesellschaft, für Staatsdoktrin oder für Außenpolitik zuständig, sondern bloß Ausführungsorgane sind.

Getöse hat sich etwas gelegt

Für Ahmadinedschad gelten solche Beschränkungen offensichtlich nicht mehr. Ob dies dem ausdrücklichen Willen Chameneis entspricht, oder ob der geistliche Führer es nur duldet, ist schwer zu entscheiden. Dass der Staatschef einen Brief an den amerikanischen Präsidenten George Bush schreiben konnte, war ein Vorgang ohne Beispiel. Unabhängig vom religiös-missionarischen Inhalt der Botschaft und von der abweisenden Haltung Washingtons, ist der Brief eine Aufforderung zum Dialog und ein persönliches Beglaubigungsschreiben des iranischen Präsidenten: Er ist zuständig, wenn das Kriegsbeil begraben werden soll. Nur mit ihm kann man Nägel mit Köpfen machen. Die Europäer mit ihrem Angebotspaket hätten für Ahmadinedschad, wie er dem Spiegel sagte, nur Gewicht, falls sie sich von den USA lösten.

Als der Chef der Wiener Behörde, Mohammed el-Baradei, kürzlich in Washington meldete, die Iraner seien bei genügenden Gegenleistungen zu einer Anreicherungspause von mehreren Jahren bereit, wurde dies in Teheran bald dementiert. Doch der Ägypter hatte sich dies nicht aus den Fingern gesogen. Chameneis Beauftragter Ali Laridschani, mit dem Baradei gesprochen hatte, wollte nicht durch Indiskretion bloßgestellt werden. Ob die angebliche Bereitschaft der Iraner auf den erwähnten Schwierigkeiten in ihrer Atomtechnik beruht, ob hier etwas angeboten wird, was in Wirklichkeit keine Konzession, sondern Realität ist, lässt sich schwer ermessen. Sicher ist, dass sich das Getöse von Trotzbehauptungen, Verhandlungen über Sanktionen und verhüllten Kriegsdrohungen etwas gelegt hat.

© SZ vom 30.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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