Berlusconi stärkt seine Position:Strategie eines Egomanen

Lesezeit: 2 min

Silvio Berlusconi hat selten davor zurückgeschreckt, seine Macht für die eigenen Interessen zu nutzen. Rechtzeitig vor den Wahlen hat er jetzt das Wahlrecht ändern lassen. Ganz nach seinem Geschmack.

Stefan Ulrich

"Blitzkrieg" nennen es die italienischen Zeitungen: In nur drei Tagen hat Premier Silvio Berlusconi ein neues Wahlgesetz durchs Abgeordnetenhaus peitschen lassen und seine bröckelnde Macht gefestigt. Noch vor kurzem stand er mit dem Rücken zur Wand.

Hat jetzt auch ein Wahlrecht ganz nach seinem Gusto: Silvio Berlusconi (Foto: Foto: Reuters)

Seine Mitte-Rechts-Koalition war zerstritten, die Haushaltslage prekär, das Volk verärgert. Ein Wahlsieg des linken Kontrahenten Romano Prodi im kommenden Frühjahr schien ausgemacht zu sein. Doch nun hat der Cavaliere die Partie durch einen Doppelschlag wieder offener gestaltet. Mit dem Wahlrechts-Coup im Parlament hat er fürs Erste die eigenen Reihen geschlossen und das Lager seiner Gegner in Verwirrung gestürzt.

Berlusconi beweist erneut, dass man ihn nie unterschätzen darf. Wenn es um die Durchsetzung seiner Interessen geht, zeigt der Mailänder alt-römische Tugenden: Klugheit, Geschick, Mut und Überzeugungskraft. Damit hat er die allzu siegesgewisse Linke überrumpelt und ihr die Vorwahlen am Sonntag vermasselt.

Aus diesen "Primarie" wollte Prodi als starker Führer des Oppositionsbündnisses hervorgehen. Nun - nach der Umstellung vom Mehrheits- auf das Verhältniswahlrecht - muss der Parteilose sich eine Partei suchen, für die er im Frühjahr antreten kann. Sein Nimbus als Chef aller Oppositionskräfte kann dadurch nur Schaden nehmen. Und die Linke läuft wieder einmal Gefahr, sich vor allem mit sich selbst zu beschäftigen und in internen Zwistigkeiten aufzureiben.

Stil der Gesetzesänderung spricht Bände

Dem süffisanten Gesicht des Premiers im Parlament war es anzusehen, wie sehr er die überraschende Wende genießt. Er dürfte sich nun seinen Zielen näher fühlen, die kommende Wahl zu gewinnen und später ins Amt des Staatspräsidenten hinüberzuwechseln. Gelingt ihm dies, dann hat er sich nicht nur als Kämpfer, sondern auch als Stratege erwiesen. Schade nur, dass Berlusconi seine Tugenden meist für sich selbst und selten für sein Land einsetzt. Die Wahlrechts-Volte ist ein Beispiel dafür. Sie stärkt Berlusconi und schwächt die Demokratie.

Schon der Stil der Gesetzesänderung spricht Bände: Überfallartig revolutionierten die Konservativen wenige Monate vor der kommenden Wahl die Abstimmungsregeln. Dabei haben sie das neue Gesetz so gezimmert, dass die Rechte besser und die Linke schlechter abschneiden wird als bisher. Das alles spricht nicht nur von Arroganz, sondern auch von Machtmissbrauch - zumal das nun abgeschaffte Mehrheitswahlrecht vor zwölf Jahren von den Italienern per Volksentscheid mit überwältigender Zustimmung eingeführt worden war.

Macht stinkt offenbar auch nicht

Auch inhaltlich überzeugt das Manöver nicht. Gewiss, das bisher geltende Wahlrecht hatte Schwächen. Insbesondere konnte es nicht verhindern, dass weiterhin zu viele kleine Parteien zu großen Einfluss im Parlament ausüben. Dafür wurde ein anderes Übel der italienischen Politik ausgemerzt: die ständigen Regierungsstürze. Den Fortschritt demonstriert Berlusconi selbst. 2001 zum Premier gewählt, hat er bald eine volle Legislaturperiode überstanden. Diese Stabilität dürfte verloren gehen.

Durch das Mehrheitswahlrecht waren die Strategen der zahllosen italienischen Parteien überdies gezwungen, sich vor der Wahl in festen Bündnissen mit gemeinsamen Programmen und Kandidaten zusammenzuschließen, wenn sie Erfolg haben wollten. In Zukunft wird die Versuchung groß sein, wieder auf eigene Faust nach dem größten Stück der Macht zu haschen. Die Italiener könnten dadurch in Partitocrazia, jener Parteienwirtschaft versinken, aus der sie sich Anfang der neunziger Jahre befreiten.

All das weiß Silvio Berlusconi, war er selbst einst ein Verfechter des Mehrheitsprinzips, weil das seinem Anspruch als Führer des Mitte-Rechts-Lagers entgegenkam. Nun, in Bedrängnis, wischt er frühere Überzeugungen vom Tisch.

Geld stinkt nicht, sagten die alten Römer. Macht offenbar auch nicht.

© SZ vom 15. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: