Berlin - Paris:Schön, dass du da bist

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"Wenn es nur uns gäbe, wären die Dinge sehr einfach": Beim deutsch-französischen Gipfel beschwören Angela Merkel und Emmanuel Macron Gemeinsamkeiten - aber einige Punkte bleiben vage.

Von Nadia Pantel, Toulouse

Gut gelandet: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron (2. v. l.) und Bundeskanzlerin Angela Merkel im Airbus-Werk in Toulouse. (Foto: Frederic Scheiber/AP)

Wenn es in der Gegenwart wenig zu bejubeln gibt, hilft es auf eine erfolgreiche Vergangenheit zu verweisen und den in der Zukunft bevorstehenden Aufbruch. Für die deutsch-französische Zusammenarbeit symbolisiert Airbus beides recht eindrücklich. "Aus einer weisen Idee unserer Vorgänger ist eine weltweit anerkannte Firma geworden," sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch, nachdem sie mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron das Werk des Flugzeugbauers in Toulouse besucht hatte. Sie trafen sich im Rahmen des 20. deutsch-französischen Ministerrats in der südfranzösischen Stadt und sprachen mit Arbeitern des Airbuswerks, dem erfolgreichsten gemeinsamen Industrieprojekt. Die Botschaft: Wenn Frankreich und Deutschland zusammenarbeiten, profitieren beide auch wirtschaftlich.

Airbus soll auch das nächste deutsch-französische Großprojekt stemmen: das Luftkampfsystem FCAS. Beschränkt man sich auf technische Details, ergänzen sich Frankreich und Deutschland beim Waffenbau wunderbar. Die französische Firma Dassault wird für die Entwicklung von Drohnen, Satelliten und Fernsteuerung zuständig sein, Airbus für den Bau der Flugzeuge. Eingesetzt werden soll sie von 2040 an. Soweit die Pläne für die Zukunft.

Doch Merkel und Macron stehen in Toulouse nicht nur in einer imposanten Fertigungshalle neben Flugzeugen, die, wie der Beluga, so groß sind, dass sie wiederum ganze Flugzeuge verschlucken können. Sie befinden sich auch an einem der Orte, der illustriert, wie kompliziert es im Detail ist, das deutsche und das französische System miteinander in Einklang zu bringen. Waffen werden produziert, um sie zu nutzen. Nur von wem und gegen wen? Die Frage des Waffenexportes wird in Paris und Berlin sehr unterschiedlich bewertet. In Deutschland kann das Parlament verhindern, dass bestimmte Länder mit Waffen beliefert werden, in Frankreich ist das nicht vorgesehen. Zudem sind in der Bevölkerung die Vorbehalte deutlich geringer.

In Toulouse wird nun ein Kompromiss präsentiert, der nicht nur für gemeinsam produzierte Waffen gilt, sondern auch für Waffen, zu dem Produzenten des einen Landes dem des anderen Landes zuliefern. Die Regelung wird Konflikte nicht vermeiden, doch sie wird dem Streit einen Rahmen geben. Wer Bedenken hat, soll Konsultationen einfordern können. Der Bedenkenträger dürfte meistens Deutschland sein, so wie jüngst beim Ringen um Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien. Paris wollte nach dem Mord an dem regimekritischen Journalisten Jamal Khashoggi weiter liefern, Berlin nicht.

Die neue Regelung sieht vor, dass bei französischen Rüstungsprodukten, zu denen Deutschland zuliefert, der Zulieferer nur dann beim Export mitsprechen darf, wenn 20 Prozent des fertigen Produktes zugeliefert wurden. Das rechtlich bindende Abkommen zu Rüstungskooperation ist Teil der "Erklärung von Toulouse", die die Ergebnisse des Ministerrats zusammenfasst. Deutschland und Frankreich haben sich darauf geeinigt, bis 2050 ihren CO₂-Ausstoß so drastisch reduzieren zu wollen, dass sie Karbonneutralität erreichen. Zu den Maßnahmen, die dies ermöglichen sollen, gehört die Einführung eines Mindestpreises von Co₂ im europäischen Emissionshandel. Die Erklärung von Toulouse enthält auch den Versuch, die Versprechen des Aachener Vertrages in Aktionen zu übersetzen. Im Januar hatten Merkel und Macron dort einen Freundschaftsvertrag unterzeichnet, der eine Neuauflage des Élyséevertrags darstellt. Zu den Ankündigungen gehörte die Schaffung eines deutsch-französischen Wirtschaftsrats, der kommende Woche seine Arbeit aufnehmen soll. Merkel hob die Fortschritte hervor, die Innenminister Horst Seehofer und sein Amtskollege Christophe Castaner beim Thema Reform der Migrationspolitik gemacht hätten. Beide Länder würde die Europäische Kommission "ermutigen", eine "vollwertige Europäische Asylbehörde vorzuschlagen". Paris gibt sich aktuell sanftmütig, was das Verhältnis zu Berlin betrifft. Vor der Europawahl im Mai hatte Macron noch die Unstimmigkeiten zwischen ihm und Merkel betont, um die französischen Wähler zu überzeugen, dass er eine progressive Kraft sei, die sich gegen die behauptete deutsche Bequemlichkeit stelle. In Toulouse sagte er, nicht das Verhältnis zwischen ihm und Merkel sei "kompliziert", sondern die Weltlage. "Wenn es nur uns gäbe, wären die Dinge sehr einfach und würden sehr schnell vorangehen". Bei internationalen Themen betonten Merkel und Macron ihre Einigkeit, so wie schon bei ihrem Arbeitsessen in Paris am Sonntagabend. Sie verurteilten gemeinsam die "türkischen militärischen Aktivitäten im Nordosten Syriens". Über den Brexit sagte Merkel, dass sie "an ein Abkommen glaube".

Wie unterschiedlich Frankreich und Deutschland dennoch auch jenseits von Fragen der Rüstungsexporte funktionieren, hatte sich vergangene Woche gezeigt. Die Abgeordneten des EU-Parlaments hatten Sylvie Goulard, Frankreichs Kandidatin für die EU-Kommission, durchfallen lassen. Paris reagierte empört, und Macron stellte fest, dass er "nicht versteht", wie das passieren konnte. Goulard war 2017 von ihrem Amt als Verteidigungsministerin zurückgetreten, weil sie in eine Affäre um Scheinbeschäftigung verwickelt gewesen war. Für ein Spitzenamt in der EU sei das kein Hindernis, urteilte sie, es sei schließlich nie ein Verfahren eröffnet worden. Die Irritation im Élysée bezieht sich nun nicht nur auf das Scheitern Goulards. Macron scheint erwartet zu haben, dass es die Aufgabe der zukünftigen Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sei, die Abgeordneten der konservativen EVP zur Unterstützung Goulards zu verpflichten. Der frühere französische EU-Parlamentsabgeordnete Jean-Louis Bourlanges von der Partei MoDem, die mit Macron koaliert, stellte beim Radiosender Franceinter fest: "Ich weiß nicht, warum der Präsident das nicht versteht, aber wir haben einigen Anlass, nicht zu verstehen, warum der Präsident das nicht versteht." Einfacher ausgedrückt: Die Regeln einer parlamentarischen Demokratie sind Frankreichs Präsidenten manchmal eher fremd.

© SZ vom 17.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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