Bericht über EU-Beitrittskandidaten:Lob für Serbien, Tadel für die Türkei

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In ihren Fortschrittsberichten für Beitrittskandidaten geht die EU-Kommission mit den Aspiranten hart ins Gericht. Vor allem von der Türkei forderte sie mehr Anstrengungen. Mit Serbien hingegen soll ein Stabilisierungsabkommen abgeschlossen werden.

Die EU-Kommission will einen Schritt auf Serbien zugehen und die Verhandlungen über ein seit Monaten auf Eis liegendes Abkommen mit dem Balkanstaat offiziell abschließen. Die sogenannte Initialisierung des Abkommens werde am Mittwoch erfolgen, teilte EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn am Dienstag in Brüssel mit.

Die Bedingungen für eine Unterzeichnung des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens seien aber noch nicht erfüllt, Voraussetzung hierfür bleibe die Festnahme mutmaßlicher Kriegsverbrecher.

Serbien habe seine Zusammenarbeit mit dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal in Den Haag deutlich verbessert, erklärte Rehn unter Berufung auf die Chefanklägerin des Tribunals, Carla del Ponte. Die Kooperation sei aber "noch nicht perfekt".

Notwendige Bedingung für die Unterzeichnung und damit das Inkrafttreten des Abkommens "bleibt eine volle Zusammenarbeit mit dem Internationalen Kriegsverbrechertribunal, die zu einer Auslieferung (des früheren bosnisch-serbischen Generals) Ratko Mladic und anderer Flüchtiger an Den Haag führen sollte", sagte Rehn.

Del Ponte habe aber immerhin die Einschätzung abgegeben, dass in Belgrad jetzt "der politische Wille und verstärktes Handeln" erkennbar seien, mutmaßliche Kriegsverbrecher festzunehmen und an Den Haag zu überstellen. Deswegen könnten nun die Verhandlungen über das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens formell abgeschlossen werden.

Ein solches Abkommen gilt als erster Schritt auf dem Weg zu einem EU-Beitritt. Praktisch wurden die Verhandlungen bereits Anfang September beendet, die Initialisierung ist jedoch ein politisches Signal an Serbien.

Türkei braucht neuen Schwung

Mit dem Beitrittsaspiranten Türkei geht die EU-Kommission dagegen hart ins Gericht, besonders beim Thema Menschenrechte. Sie prangerte am Dienstag mangelnde Religionsfreiheit für Christen und unzureichende Meinungsfreiheit in der Türkei an. Die EU drängt vor allem darauf, dass die Türkei den Straftatbestand "Beleidigung des Türkentums" abschafft, unter dem bereits mehrere Schriftsteller und Journalisten verfolgt wurden.

"Die Umsetzung von Reformen hat sich seit 2005 verlangsamt", heißt es in einem am Dienstag von Erweiterungskommissar Rehn vorgelegten Bericht über die EU-Beitrittskandidaten. "Die Türkei muss den Schwung der politischen Reformen erneuern."

Die Regierung müsse das Militär politisch in die Schranken weisen, forderte die Kommission. Mehr Anstrengungen seien nötig, um die Rechte von Frauen zu stärken.

Angesichts der gespannten Lage an der türkisch-irakischen Grenze rief die Kommission zu einer engen Zusammenarbeit beider Länder im Kampf gegen die kurdische Arbeiterpartei PKK auf. Die EU wie auch die USA betrachten die PKK als Terrororganisation. Die Türkei bereitet derzeit einen Einmarsch in die nordirakischen Rückzugsgebiete der Extremisten vor.

Erweiterungskommissar Rehn lobte die Türkei aber auch dafür, die jüngste politische Krise um die Wahl des religiös-konservativen Präsidenten Abdullah Gül auf höchst demokratische Weise gemeistert zu haben. Die Demokratie habe über die Einmischung des Militärs gesiegt, erklärte er. Für das kommende Jahr stelte er Fortschritte bei den Beitrittsverhandlungen in Aussicht.

Die Armee übt in der Türkei großen Einfluss aus und versteht sich als Hüterin der säkularen Grundordnung des Landes, die sie durch die Wahl eines ehemaligen Islamisten ins höchste Staatsamt gefährdet sah.

Die EU begann die formellen Gespräche mit Ankara im Oktober 2005. Die Verhandlungen wurden im Dezember 2006 teilweise ausgesetzt, weil die Türkei sich weigerte, ihre Häfen für das EU-Mitglied Zypern zu öffnen. Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy ist dagegen, das vom Islam geprägte Land in die EU aufzunehmen. Bis zu einem Beitritt werden nach Einschätzung von Experten noch mindestens zehn Jahre vergehen.

Rüge für Musterschüler Kroatien

Auch die meisten Staaten des Westbalkans sind den Fortschrittsberichten zufolge von einem Beitritt zur Europäischen Union weit entfernt.

Zufriedener als mit der Türkei und Serbien ist die EU-Kommission mit dem Beitrittskandidaten Kroatien. "Die Verhandlungen kommen gut voran", hieß es. Dennoch gab es auch Kritik: Die Kommission monierte die immer noch weitverbreitete Korruption in der Gesellschaft. Das Land müsse deutlich mehr tun, um sein Rechts- und Justizsystem zu reformieren. Kroatien hofft, schon 2009 der EU beitreten zu können.

Insgesamt kommt die Brüsseler Behörde zu dem Schluss, dass das Reformtempo in der Region viel zu langsam ist. Mazedonien, Serbien, Montenegro, Albanien, Bosnien und die von Serbien abtrünnige Provinz Kosovo suchen den politischen und wirtschaftlichen Anschluss an die EU.

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