Bericht des Wehrbeauftragten:Vernichtendes Zeugnis für die Bundeswehrspitze

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Der Wehrbeauftragte Robbe übt massive Kritik am Verhalten der Bundeswehrführung - und warnt vor dessen Folgen.

Peter Blechschmidt, Berlin

In bisher nicht dagewesener Deutlichkeit hat der Wehrbeauftragte des Bundestages, Reinhold Robbe, das Führungsverhalten in der Bundeswehrspitze kritisiert. Viele Vorgesetzte der mittleren Ebene fühlten sich von höherrangigen Offizieren mit ihren vielfältigen Problemen "alleingelassen", schreibt Robbe in seinem Jahresbericht für 2008, den er am Donnerstag in Berlin vorstellte.

Reinhold Robbe, der Wehrbeauftragte des Bundestages, zeigt in seinem Jahresbericht Missstände in der Bundeswehr auf. (Foto: Foto: AP)

"Das Vertrauen in die höhere militärische und politische Führung nimmt ab. Die Gefahr, dass sich auch viele bisher engagierte Vorgesetzte resigniert zurückziehen, steigt", schreibt Robbe. Er zeichnet "das Bild eines Truppenalltags, der zunehmend unter widrigen dienstlichen Rahmenbedingungen von der Unterbringung über die Auftragsflut bis hin zu Ausstattungsdefiziten im Bereich von Personal und Material leidet. Das hat Auswirkungen auf die Motivation, das Führungsverhalten und die Ausbildung in der Truppe".

Die schlechte Stimmung beeinträchtige auch die Attraktivität der Bundeswehr für den dringend benötigten Nachwuchs, macht Robbe deutlich.

Nach Einschätzung der Führer auf Einheits- und Verbandsebene fehlt es laut Robbe den angehenden Unteroffizieren und Offizieren häufig an Führungsfähigkeiten und praktischer Erfahrung. Ursache dafür seien das Auswahlverfahren und die zu wenig praxisbezogene Ausbildung.

Insbesondere die neu konzipierte Offiziersausbildung im Heer, bei der junge Offiziere erst nach dem Studium und der Ausbildung an der Offiziersschule in die Truppe kämen, sei nicht hinreichend praxisorientiert. Darin sehe er eine Ursache für "die auffälligen Führungsschwächen und Führungsfehler junger Offiziere", schreibt Robbe.

Der Wehrbeauftragte kritisiert auch den Umgang von Vorgesetzten mit internen Beschwerden. Viele Eingaben würden aus Angst vor Repressalien anonym abgefasst. "Mir gibt der teilweise wenig souveräne Umgang mit Eingaben Anlass zur Sorge", schreibt Robbe. "Gerade von höheren Vorgesetzten erwarte ich mehr Souveränität und Fähigkeit zur Selbstkritik."

Robbe verweist zudem auf die bekannt schwierige Personallage im Sanitätsdienst, wo bereits 430 Stellen nicht besetzt seien. Der Wehrbeauftragte spricht von "Ärzteflucht". Rund 100 Sanitätsoffiziere hätten 2008 der Bundeswehr den Rücken gekehrt. Die Motivation der Ärzte in der Bundeswehr sei "erschreckend gekippt".

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