Belgrad:"Mladic versteckt sich in Serbien"

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Die serbische Justiz hat offen eingestanden, dass sich der international gesuchte Ex-General der bosnischen Serben, Ratko Mladic, im Land aufhält.

Enver Robelli

Während die Belgrader Politiker weiterhin behaupten, sie hätten keine Informationen, wo sich der mutmaßliche Kriegsverbrecher Ratko Mladic befindet, hat der serbische Staatsanwalt für Kriegsverbrechen, Vladimir Vukcevic, mit einer Erklärung für Aufsehen gesorgt.

Das Haager Kriegsverbrecher-Tribunal will Mladic wegen Verbrechen im Bosnien-Krieg den Prozess machen (Foto: Foto: AFP)

Vukcevic sagte der Nachrichtenagentur Beta, dass sich der ehemalige Kommandant der bosnisch-serbischen Armee in Serbien versteckt halte. Damit bestätigte der hochrangige Beamte zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Tagen die Vermutung des UN-Tribunals in Den Haag, dass Mladic in Serbien lebe und möglicherweise den Schutz einflussreicher Armee-, Polizei- und Geheimdienstkreise genieße.

Vukcevic hatte bereits vor drei Wochen gegenüber einer lokalen Zeitung bestätigt, dass Mladic in Serbien sei und der ehemalige Präsident der bosnischen Serben Radovan Karadzic "irgendwo in der Region". Politische Beobachter in Belgrad bezeichneten die Aussage Vukcevics als Kehrtwende: Bisher hatten die serbischen Justizbehörden im Einklang mit der Regierung stets erklärt, sie hätten keine Angaben zum Aufenthaltsort von Mladic und Karadzic.

Die abtretende Chefanklägerin des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien Carla Del Ponte sagte der Tageszeitung Blic, dass die Belgrader Regierung im Frühjahr 2006 erfolglos mit Mladic über eine freiwillige Aufgabe verhandelt habe. Er sei nicht festgenommen worden, obwohl die Behörden "genau wussten, wo er sich aufhält", sagte Del Ponte.

Die Schweizer Juristin erinnerte daran, dass der Internationale Gerichtshof in Den Haag Ende Februar die Ermordung von fast 8000 Bosniaken (Muslimen) in Srebrenica als Genozid bezeichnet und eine Mitverantwortung Serbiens festgestellt habe. Die Belgrader Führung, heißt es im Urteil des welthöchsten Gerichts, habe gegen die UN-Völkermordkonvention verstoßen, weil der serbische Staat nichts getan habe, um die Einwohner der ostbosnischen Enklave zu schützen.

Diese Konvention verletze Serbien noch heute, weil die Regierung den Massenmörder Mladic nicht verhaftet und ausgeliefert habe, sagte Del Ponte. Ein solcher Staat sollte nicht in die Europäische Union aufgenommen werden, fügte die streitbare Chefanklägerin hinzu.

Die Kritik Del Pontes an der mangelnden Kooperation Belgrads mit dem UN-Tribunal lässt Vladimir Vukcevic nicht gelten. Laut dem Staatsanwalt hat Serbien bisher 42 Personen nach Den Haag überstellt, die der Kriegsverbrechen auf dem Gebiet des früheren Jugoslawiens beschuldigt werden. Unter ihnen sei die gesamte militärische und politische Führung aus der Herrschaftszeit Slobodan Milosevics. Außerdem wurden in Serbien nach Angaben von Vukcevic 57 Personen wegen Kriegsverbrechen angeklagt.

Die Regierung hat unlängst eine Kriegsverbrecher-Hotline eingerichtet. Unter der Nummer 9191 können anonyme Hinweise auf den Verbleib von Mladic gegeben werden. Wer die entscheidende Information liefert, erhält eine Million Euro. Dass es dazu kommen wird, glaubt Dragoljub Zarkovic, der Herausgeber des serbischen Wochenmagazins Vreme, nicht. Man stelle sich vor, er wisse, wo Mladic lebe und er verrate das Versteck des flüchtigen Generals: "Ich würde innerhalb von einer halben Stunde in der Dunkelheit verschwinden."

© SZ vom 27.12.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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