Bei Auftritt in Berlin:Hier bläst der Wal

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Der Ex-Kanzler Gerhard Schröder gab eine unerwartete - und unerbetene Regierungserklärung zur deutschen Außenpolitik ab. Daneben stellte er sich ziemlich unverhohlen als der Energiegarant Deutschlands dar.

Christoph Schwennicke

Um mit einem heiklen Eindruck der Veranstaltung im Weltsaal des Auswärtigen Amtes zu beginnen: Nach menschlichem Ermessen und allgemeiner Lebenserfahrung sind diese Haare gefärbt. Sie sind einfach einen Tick zu dunkel, einen Tick zu glänzend, um naturbelassen zu sein.

Aber vielleicht täuscht auch das Licht beim Betrachten der Haarpracht von Brigitte Zypries. Die Justizministerin zählte schon zu politischen Lebzeiten des Gerhard Schröder zu den "Frogs", also Gerhards Freunden aus Hannover.

Klassentreffen

Völlig folgerichtig also, dass die Justizministerin einen Abstecher ins Auswärtige Amt gemacht hat an diesem Montagmorgen, selbst wenn man nicht sagen kann, dass juristische Fragen im Mittelpunkt dieser Veranstaltung des Nah- und Mittelostvereins stehen würden.

Nein, es kommt zunächst eher einem Klassentreffen des rot-grünen Kabinetts gleich, was sich anlässlich des Numov-Ehrenvorsitzes für den Altkanzler da abspielt. Auch Otto Schily, Schröders eiserner Innenminister, gibt sich die Ehre, aber nicht jedem einen Blick beim Händeschütteln.

Dem Altkanzler natürlich schon: Freudig geht Gerhard Schröder auf seinen Otto zu und schüttelt ihm die Hand, doch auch dieser herzliche Gunsterweis kann nicht verhindern, dass Otto Schily am Ende in der dritten Reihe zu sitzen kommt.

In der zweiten Reihe, aber weit hinten am anderen Saalende, hat ein weiterer Herr der Schröder-Ära Platz genommen. Uwe-Karsten Heye, über Jahre Schröders Sprecher, und er scheint jünger geworden zu sein.

Schröder: Ungealtert, eher alterlos

Jedenfalls sah er im Amt mit, sagen wir: 60, manchmal älter aus als nun mit 65. Bernd Pfaffenbach, Schröders Wirtschaftsmann, sieht rund und gesund aus wie eh und je.

Ungealtert, ja alterlos: Gerhard Schröder. Zu seinem ersten öffentlichen Auftritt auf der Berliner Bühne will sein ehemaliger Untergebener Frank-Walter Steinmeier "nur ein Wort" verlieren, es werden doch ein paar mehr.

Ausführlich preist Steinmeier die Verdienste des "sehr verehrten Herrn Bundeskanzlers" und "lieben Gerds" bei der seiner Ansicht nach historische Leistung, die Bedeutung des Nahen und Mittleren Ostens für Deutschland erst klar gemacht zu haben. Steinmeier war gerade auf den Spuren seines Ex-Chefs unterwegs in den Golfstaaten.

So verwundert im ersten Moment nicht, dass der Außenminister seinen Kollegen aus den Vereinigten Arabischen Emiraten vermeintlich vertrauensvoll beim sonderbar deutschen Vornamen anredet. Bis es beim dritten "Johannes" dämmert, dass Steinmeier "Your Highness" Abdullah bin Zayed Al Nahyan meint.

Ein flammendes Plädoyer für die Türkei

Martin Bay, der Vorsitzende von Numov, sagt im Anschluss im Wesentlichen über Schröder das, was Steinmeier ihm schon weggeredet hat. Ergänzt um die als Seitenhieb an die aktuelle Regierung zu verstehende Formulierung, Schröder sei Zeit seiner politischen Tätigkeit und auch in seiner Nahostpolitik jemand gewesen, der Wagnisse einging.

Das sei beeindruckend, weil es erstens das Risiko des Scheiterns berge und zweitens die Kritik derer auf sich ziehe, die "Veränderung scheuen". Das wie sein flammendes Plädoyer für den EU-Beitritt der Türkei darf man schon als Kritik des Laudators an Angela Merkel verstehen.

Dann bläst der Wal, und wie. Über Monate hatte Gerhard Schröder in Deutschland geschwiegen. Nun gibt er im Auswärtigen Amt (AA) eine Regierungserklärung eines Kanzlers a.D. zur Außenpolitik ab, die sich gewaschen hat. Daneben stellt er sich ziemlich unverhohlen als der Energiegarant Deutschlands dar.

Es habe sich ja herumgesprochen, sagt er und bekommt dieses süffisante, schiefe Lächeln um die Lippen, dass er nicht nur in Sachen Öl, sondern "auch in anderen Bereichen versuche, ein bisschen dafür zu arbeiten".

Von seinem alten Bekannten Peer Steinbrück fordert Schröder mehr Geld für die im AA angesiedelten Goethe-Institute. "Sollte ich den Finanzminister mal irgendwo treffen, werde ich ihm das als unsere gemeinsame Auffassung mitteilen", frotzelt Schröder Steinmeier an - um diesem dennoch heftigen Widerspruch gegen mögliche Wirtschaftssanktionen gegen Iran angedeihen zu lassen.

Ein insgesamt sehr erfrischendes Wiedersehen mit Gerhard Schröder, der am Ende - "um Missverständnisse zu vermeiden" - Wert darauf legt, dass es sich beim hiermit angenommenen Numov-Posten um ein Ehrenamt handele.

© SZ vom 30.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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