Befristungen:Falscher Patient

Die Politik gibt vor, für dauerhafte Arbeitsverträge zu kämpfen. Und geht mit schlechtem Beispiel voran.

Von Henrike Rossbach

Wissen wollen, wie es weitergeht, ein bisschen in die Zukunft schauen und Pläne schmieden können - das ist ein urmenschliches Bedürfnis. Diese Sicherheit aber haben Menschen mit befristeten Arbeitsverträgen nicht. Die Bundesregierung will deshalb all jene Befristungen einschränken, die nicht nur der Überbrückung von Elternzeiten oder Krankheitsfällen dienen.

Das hört sich fair an, bringt aber neue Ungerechtigkeiten und ist eine Operation am falschen Patienten. Am stärksten betroffen wäre die Privatwirtschaft. Wenn Firmen Mitarbeiter, etwa wegen einer unsicheren Auftragslage, nur auf Zeit einstellen wollen, können sie das nur über die zur Disposition stehende sachgrundlose Befristung. Die öffentliche Hand dagegen ist auf diese Art der Befristung nicht angewiesen, sie hat andere gerichtsfeste Möglichkeiten. Und die stehen nicht infrage.

61 Prozent der Einstellungen im öffentlichen Dienst waren 2017 befristet, nur jeder Vierte wurde danach gleich fest übernommen. In der Privatwirtschaft wurden dagegen nur 40 Prozent befristet eingestellt, die direkte Übernahmequote lag bei 46 Prozent. Und auch insgesamt ist der Befristungsanteil in der freien Wirtschaft geringer. Wenn die Politik Kettenbefristungen und hohe Befristungsquoten bekämpfen will, sollte sie erst mal ihren Vorgarten beackern.

© SZ vom 31.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: