Befreiungsaktion:Tödliches Ende einer siegreichen Mission

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Dunkelheit, zu hohes Tempo, nervöse Soldaten? Wie eine Befreiungsaktion dramatisch scheiterte.

Von Christiane Kohl

Mitternacht war schon vorbei, als sich auf dem Militärflughafen Ciampino am südlichen Rand von Rom in der Nacht zum Sonntag eine illustre Schar von italienischen Spitzenpolitikern versammelte.

Da stand Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi neben Ministerpräsident Silvio Berlusconi, der sein halbes Kabinett im Schlepptau hatte. Der römische Bürgermeister Walter Veltroni war gekommen und selbst die kommunistischen Redakteure der Linkszeitung Il Manifesto standen Spalier.

Wortlos beobachteten die Wartenden, wie eine Regierungsmaschine vom Typ Hercules heranrollte. Minuten später zogen italienische Militärs einen mit den Tricolore-Fahnen umhüllten Sarg aus dem Flugzeugbauch -- die sterblichen Überreste von Nicola Calipari, dem italienischen Geheimdienstoffizier, der die Journalistin Giuliana Sgrena aus den Fängen ihrer irakischen Entführer befreit hatte.

Es war das Ende einer dramatischen Operation, die Calipari seit Wochen geleitet hatte. Zwei Tage zuvor war der Agent des italienischen Militärgeheimdienstes Sismi zu seiner letzten Reise nach Bagdad aufgebrochen, um die Il-Manifesto-Reporterin nach einmonatiger Gefangenschaft im Irak zurück nach Italien zu bringen.

Alles schien zunächst nach Plan zu laufen: Am frühen Freitagnachmittag melden sich Calipari und sein Begleiter bei den amerikanischen Kontrollbehörden auf dem Flughafen von Bagdad.

Sie informieren ihre amerikanischen Gesprächspartner über die bevorstehende Mission, nehmen ihre Passierscheine in Empfang sowie eine Erlaubnis, ihre Waffen mitzuführen, und mieten eine graue Limousine mit irakischem Kennzeichen.

Der Wagen ist nicht gepanzert, auch verzichten die Agenten auf ein Begleitfahrzeug - man will möglichst wenig Aufsehen erregen in Bagdad.

Kurz zuvor hat nach einer Rekonstruktion der Mailänder Zeitung Corriere della Sera offenbar ein anderer Trupp des Sismi in Abu Dhabi, der Hauptstadt der Vereinigten Emirate, eine nennenswerte Lösegeldsumme an einen Vermittler übergeben: Die Rede ist von bis zu acht Millionen Euro.

"Sieg, Sieg!"

In Bagdad bricht unterdessen schon die Dämmerung herein, als Calipari und sein Kollege Andrea Carpani, ein Major der Carabinieri, gegen 18 Uhr europäischer Zeit den verabredeten Ort für die Gefangenenübergabe nahe einer Moschee erreichen.

Minuten später wird Giuliana Sgrena von zwei vermummten Männern herangefahren, die italienischen Agenten brechen umgehend mit der Reporterin in Richtung Flughafen auf. Unterwegs ruft Calipari im römischen Regierungspalast an, um den Chef des Ministerpräsidentenbüros, Gianni Letta, über die gelungene Freilassung zu informieren, Sgrena selbst schreit ins Telefon: "Sieg, Sieg!".

Calipari führt noch zwei Ortsgespräche in Bagdad, eines davon in Englisch, offenbar um die US-Behörden am Flughafen über das baldige Eintreffen der Italiener zu informieren. Plötzlich sieht der Carabiniere-Major, der am Steuer sitzt, ein helles Licht, im nächsten Moment prasseln Kugeln auf das Fahrzeug ein. Calipari wird am Kopf getroffen, Sgrena an der Schulter, der Polizist Carpani bekommt einen Schuss in den Fuß.

Das Feuer ist vom rechten Straßenrand gekommen, Dutzende Patronenhülsen liegen im Wagen, als der Kugelhagel beendet ist. Carpani gelingt es noch einmal im römischen Regierungspalast anzurufen und Gianni Letta über den Tod seines Kollegen zu informieren, als die US-Militärs ihn offenbar mit einer Pistole bedrohen und sein Funktelefon abstellen.

In einer ersten Version der Amerikaner wird es später heißen, der Wagen sei mit hoher Geschwindigkeit gefahren und habe nicht gestoppt auf das Zeichen der US-Militärs.

Hingegen erklärt der Major der Carabinieri, dass er keineswegs schnell gefahren sei, auch hätten die Amerikaner sofort das Feuer eröffnet, ohne den Italienern Zeit zum Reagieren zu lassen. Auch der Behauptung, dass die US-Behörden nicht informiert gewesen seien, widerspricht der Major: "Wir wurden ja im Flughafen schon erwartet, von einem Verbindungsoffizier und einem Vertreter des amerikanischen Militärkommandos".

Eher schon könnte es möglich sein, dass es unter amerikanischen Kontrollstellen eine Kommunikationspanne gab. Nach Angaben des Carabiniere sahen die US-Soldaten, die das Auto beschossen, "sehr jung aus".

Hingegen galt der 51-jährige Calipari als sehr erfahrener Geheimdienstler: Seit April 2004, als vier italienische Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes entführt worden waren, reiste er regelmäßig nach Bagdad.

Er führte Verhandlungen über die Befreiung diverser italienischer Geiseln, die von seinen amerikanischen Gesprächspartnern möglicherweise nicht immer mit Wohlwollen verfolgt wurden - dass die Italiener auch vor Lösegeldzahlungen nicht zurückschreckten, konnte jedenfalls nicht im Sinne der US-Partner sein.

Im Falle Sgrena hatten US-Militärs nach unbestätigten Berichten bereits das Versteck der Entführer lokalisiert, um eine militärische Operation zu ermöglichen. Doch die Italiener wählten die Lösegeld-Variante.

Was auch immer die Hintergründe sind - die Schießerei am Checkpoint erklären sie nicht.

© SZ vom 7.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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