Bandenkriminalität:Draufschlagen und abhauen

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Diebesbanden haben sich auf Blitzeinbrüche und Raubüberfälle bei Juwelieren und Optikern verlegt.

Von Cathrin Kahlweit

Ein anspruchsvolles Diagnose-Gerät, mit dem man moderne Autos einer Mängelanalyse unterzieht, kostet zwischen zehn- und zwanzigtausend Euro.

In Osteuropa fahren mittlerweile viele Luxuslimousinen herum, voll gestopft mit moderner Elektronik. Wer die reparieren will, braucht im Zweifel ein solches Gerät. Knapp 900 Stück sind seit 2001 in Deutschland aus Werkstätten gestohlen worden.

Der Großteil landete bislang in Polen, berichtet Josef Geißdörfer, Leiter der Ermittlungsabteilung beim Bayerischen Landeskriminalamt. "Aber mittlerweile dürfte der Markt dort gesättigt sein".

Mindestens ebenso populär ist derzeit die Entwendung PS-starker Geländewagen, mit denen dann wiederum so genannte Blitzeinbrüche bewerkstelligt werden können: Die Täter fahren mit einem Geländewagen frontal in ein Schaufenster oder eine Werkstatt hinein, springen aus dem Auto und raffen in Sekundenschnelle zusammen, was sie tragen können. Bis die Polizei eintrifft, sind Diebe plus Auto längst fort.

Ermittler schreiben solche Taten in den allermeisten Fällen organisierten Banden aus Osteuropa zu, die sich auf schnelle Überfälle in Deutschland spezialisiert haben.

Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs vor nunmehr fünfzehn Jahren nahmen - verstärkt in den Sommermonaten - osteuropäische Banden Kurs auf den Westen.

Neue "Trends"

Wo vor zehn Jahren aber vor allem die so genannten Rumänen-Banden Schlagzeilen machten, die sich auf den Raub von Tresoren aus kleinen Bankfilialen auf dem Land spezialisiert hatten, da gibt es heute neue Trends: Juweliere, Optiker, Fotoläden und Elektro-Geschäfte sind die aktuellen Anlaufstellen organisierter Banden; insbesondere junge Männer, die für Diebeszüge angeheuert werden und nach erfolgreichem Einsatz in der Regel wieder heimkehren, sind nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes (BKA) in Deutschland in Banden aktiv, die systematisch vorgehen.

"Das Gefühl der Bedrohung ist, was Banden angeht, zwar größer als die Gefahr, die von ihnen ausgeht", sagt LKA-Ermittler Geißdörfer. Allerdings seien die Gewaltbereitschaft und der Wert der erbeuteten Waren oft besonders hoch.

Außerdem lohne sich die Bekämpfung von Banden besonders: Mit einigen Festnahmen könnten oft gleich ganze Strukturen zerschlagen werden, aus denen heraus sonst Folgetaten vorbereitet würden.

Von Tresoren weg zu Geldautomaten

Wo statt Wertgegenständen Geld geklaut wird, haben sich die Banden mittlerweile von den Tresoren weg auf Geldautomaten verlegt - in Bayern etwa ermittelt eine "Soko Stahlseil" gegen organisierte Diebe, die mit Lastwagen in die Vorräume von Banken hineinrasen, mit einem Stahlseil die Geldautomaten auf die Ladefläche hieven und abfahren.

Vier Männer aus der Stahlseilbande wurden mittlerweile erwischt. Ab und an geht dabei auch mal etwas schief: Beim BKA in Wiesbaden etwa lacht man derzeit über eine Diebestruppe, die bei einem Bruch anstelle des Geldautomaten nur den Kontoausdrucker erwischte.

Fast legendär ist mittlerweile die "Hammerbande", deren Mitglieder aus dem Großraum des polnischen Koszalin stammen und die ihren Namen aus ihrer Arbeitsmethode beziehen: Ein Täter bedroht die Angestellten mit einer Waffe, während die anderen mit einem Hammer die Vitrinen einschlagen und das Diebesgut in ihre Taschen räumen.

Im April wurden schließlich ein paar Drahtzieher der Bande von der polnischen Polizei festgenommen. Allein 150 Überfälle bundesweit gingen bis Mitte diesen Jahres auf das Konto der Hammerbande.

Schmuck und teure Uhren, aber auch Fotoapparate und Elektrogeräte geraten zunehmend ins Visier der Diebe. Seit 2001 hat das BKA insgesamt etwa 300 Überfälle auf Schmuckgeschäfte und außerdem seit 2003 allein 273 Überfälle auf Optiker und Fotogeschäfte verzeichnet. In Nordrhein-Westfalen ermittelt die "Soko Uhr" in solchen Fällen.

Versicherungsprämie zu hoch

Eine Reihe von Juwelieren etwa in Berlin, die schon mehrfach Opfer von Überfällen waren und ihre Geschäftsräume und Schaufenster schon häufiger reparieren lassen müssem, musste mittlerweile aufgeben - die Versicherungsprämien wurden zu hoch.

Bodo Jonda vom Zentralverband für Uhren, Schmuck und Zeitmesstechnik hat den hilflosen Rat an die Mitglieder seines Verbandes, Betonpoller vor die Schaufenster zu bauen.

"Das hilft nichts gegen Raubüberfälle, aber zumindest kommt man dann nicht mit dem Wagen in die Scheibe." Ein neuer Trend ist deshalb auch: Gesichtskontrolle an der verschlossen Ladentür.

© SZ vom 25.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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