Außenpolitik der USA:"Amerika ist zu schwach"

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US-Präsident Bush hat sein Land überfordert, indem er sich zu sehr auf seinen Krieg gegen den Terror konzentrierte. Doch es gibt keinen Grund, sich darüber zu freuen.

Margarita Mathiopoulos

Ist die Weltmacht USA unter Präsident George W. Bush außenpolitisch überfordert? "Klar", würden die Anti-Amerika-Experten, die im linken wie rechten Spektrum der deutschen Parteienlandschaft unterwegs sind, antworten, und sich auch klammheimlich darüber freuen.

Ebenso klar ist für die verbliebenen Atlantiker hierzulande allerdings auch, dass unter einem schwachen Amerika Europa noch mehr als die USA zu leiden hat. Ohne eine transatlantische Ehe wäre Europa nach 1945 freiheitlich und demokratisch nicht wieder auf die Beine gekommen. Nun, im Zeitalter sicherheitspolitischer Unsicherheiten und einer zunehmenden Ent-Westlichung des Westens, ist die transatlantische Ehe unabdingbar, wenn die abendländische Wertegemeinschaft überleben will.

Als Bush 2001 antrat, glaubte er noch, die USA würden die einzige globale Macht mit uneinholbarem politischen, wirtschaftlichen und militärischen Kapital sein, das ihnen jederzeit und überall das Eingreifen ermöglicht. Mittlerweile ist erkennbar, dass Washington diesem Anspruch nicht gewachsen ist. Statt der Welt mehr Sicherheit zu geben und universalen Werten mehr Geltung zu verschaffen, sind Ressourcen vergeudet, größere Krisenherde vernachlässigt und Ansehen verspielt worden.

"Transatlantisches Fiasko"

Seit dem 11. September 2001 steht der globale Kampf gegen den Terror nicht unberechtigterweise im Mittelpunkt amerikanischer Außen- und Sicherheitspolitik. Auch der Irak-Krieg wurde damit begründet - mit den fatalen Folgen. Er kostete bis heute Tausenden Menschen (Militärs und Zivilisten) das Leben, den US-Steuerzahler jedes Jahr dreistellige Milliardenbeträge sowie Washington einen beträchtlichen Teil seiner politischen Glaubwürdigkeit, nicht nur in der arabischen Welt.

Fehler in der Irak-Strategie wurden von amerikanischer Seite mittlerweile eingeräumt. Warum räumen wir Europäer nicht auch unsere Fehler während der Irak-Krise ein? Insbesondere die freischaffende Diplomatie der rot-grünen Regierung mit ihrem Konzept eines "deutschen Weges", gepaart mit der französischen Arroganz jener Tage, bewirkte ein transatlantisches Fiasko.

Bundespräsident Horst Köhler hat Recht, wenn er nun anmahnt, dass die Stabilisierung des Irak nicht nur im Interesse der Amerikaner und der arabischen Welt ist, sondern, dass auch wir Europäer als unmittelbar betroffene Nachbarn unseren Teil dazu beitragen müssen.

Hätte sich die Bush-Regierung jedoch nach dem 11. September 2001 nicht einzig mit dem Al-Qaida-, Afghanistan- und Irak-Problem befasst, sondern sich auch um eine Lösung des israelisch-palästinensischen Dauerkonflikts bemüht, wären dem Libanon und Israel der Krieg im Sommer 2006 womöglich erspart geblieben und der Ruf der Vereinigten Staaten im Nahen Osten nicht weiter in Mitleidenschaft geraten.

Bezeichnenderweise hat Condoleezza Rice nun den fünf Jahre alten Friedensplan Saudi-Arabiens für den Nahen Osten wiederentdeckt. Dieser sieht den Rückzug Israels an die Grenzen von 1967, die volle Anerkennung Israels, die Schaffung eines unabhängigen Palästinenserstaates mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt sowie die endgültige Regelung der Flüchtlingsfrage, gemäß der UN-Resolution von 1948, vor. Die Amerikaner hoffen, mit Hilfe des saudischen Friedensplans dem palästinensischen Präsidenten Machmud Abbas mehr arabische Unterstützung bei seinen Gesprächen mit Israel zu sichern. Warum bloß lag dieser Plan fünf Jahre lang auf Eis?

"Die USA hat kaum noch militärisches Kapital"

Der global agierende Terror-Sponsor Iran ist unter Präsident Ahmadinedschad innenpolitisch verhärteter und außenpolitisch aggressiver als vor der Amtszeit George W. Bushs. Und das neo-stalinistische Regime in Nordkorea konnte sich inzwischen zum semi-offiziellen Nuklearwaffenstaat emporschwingen. Beide Staaten sind faktisch ungehindert dabei, die strategische Balance ihrer gesamten Regionen aus den Angeln zu heben.

Die Vereinigten Staaten haben kaum noch militärisches, vor allem aber wenig politisches Kapital, um überzeugend und nachhaltig Einhalt zu gebieten. Warum hat Bush nicht gleich zu Beginn seiner Präsidentschaft im Jahr 2001 versucht, die atomaren Ambitionen des antisemitischen und chauvinistischen Mullah-Regimes auf diplomatischem Weg zu stoppen, gemeinsam mit Europa, Russland, China, Saudi-Arabien und Syrien?

Statt die Nato behutsam zu erweitern, wird in Washington auf Erweiterung um fast jeden Preis gesetzt, was am Ende nicht nur die Nato zu einer Art OSZE mit militärischem Arm aufzublähen droht, sondern auch die teilweise legitimen Interessen Russlands empfindlich berührt. Man muss gewiss kein Freund Putins sein, um anzuerkennen, dass es in Moskau Unbehagen auslösen muss, wenn amerikanische Truppen und Waffensysteme dauerhaft auf ehemaligem Warschauer-Pakt-Territorium stationiert sind sowie die Nato um Staaten wie die Ukraine, Georgien oder Moldawien erweitert wird.

Ohne Zweifel ist der größte Profiteur der US-Führungsschwäche die Volksrepublik China. Das Land nutzt die Erträge seines enormen Wachstums systematisch für die eigene Weiterentwicklung zu einer globalen Macht. Das Militär wird zu modernen Streitkräften mit strategischen Offensivfähigkeiten umgebaut. 2007 wird der Verteidigungsetat offiziell um 14,7 Prozent steigen, tatsächlich aber wohl um rund 19 Prozent. Strategisch werden Rohstoffquellen gesichert.

Im absehbaren weltweiten Wettbewerb um knapper werdende Rohstoffe werden hier Pflöcke eingeschlagen, die die Interessen der USA und auch Europas empfindlich beeinträchtigen werden. Zudem betreibt China eine ehrgeizige Raumfahrt und zeigt mit dem Abschuss eines Satelliten auch offen, dass es fähig ist, bei Navigation, Kommunikation, Aufklärung und Waffenlenkung mit den USA zu konkurrieren.

Peking bindet eine Reihe von afrikanischen und südamerikanischen Ländern an sich und sichert sich auf diese Weise langfristig Öl- und andere Rohstoffressourcen. Die Strategie ist klar: weltweit Allianzen mit Staaten zu bilden, die von den USA gemieden oder vernachlässigt werden.

Ist die Weltmacht USA überfordert, mehrere Krisenherde einzudämmen? Mit diesem Anspruch einer globalen demokratischen Ordnungsmacht war Bush zu Recht angetreten. Heute erleben wir jedoch nicht ein zu starkes, sondern ein zu schwaches Amerika. Das kann sich der Westen nicht leisten.

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