Außenansicht:Null Verstand, null Mut, null Gespür

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Der Kampf gegen rechts ist in Deutschland durch viel Hysterie und noch mehr Selbstgerechtigkeit gekennzeichnet.

Peter Gauweiler

In einem kürzlich gefällten Beschluss des SPD-Parteivorstands "Demokratie stärken" heißt es, dass man "rechtes Denken nicht mit einem Ruck aus der Gesellschaft reißen kann". Das ist eine merkwürdige Formulierung. Eigentlich sollte es auch zu linkem Denken gehören, dass die Gedanken frei sind und dass zu jeder politischen Überlegung auch die Fähigkeit gehört, das Gegenteil der eigenen Meinung intellektuell zu erfassen.

Peter Gauweiler. (Foto: Foto: dpa)

Rechtes Denken ist so viel oder so wenig in einem Atemzug mit dem antisemitischen Nazitum zu nennen wie das gulagische Programm mit linker Reflexion. Insofern gehörte zum rechten und linken Erkenntnisgewinn am Ende des 20. Jahrhunderts ein gleicher Abstand zu den erlebten Entartungen beider Richtungen.

Diese Äquidistanz ist in der Extremismusdebatte völlig verlorengegangen - in den Titeln des Bundeshaushaltes zur Bekämpfung des politischen Radikalismus wird der Rechtsextremismus in vielfältiger Weise, der Linksextremismus aber gar nicht mehr erwähnt -, dies wird im Papier des SPD-Parteivorstandes auch noch als Erfolg dargestellt. Auf der anderen Seite kennzeichnet den Endlosdiskurs über das Dritte Reich und den real existierenden Sozialismus, dass allen, die irgendwie verstrickt waren, mit Feuereifer das Recht auf eine zweite Chance abgesprochen wird.

Kein Zugeben, dass es ein Schmerz besonderer Art ist, nach einer verdienten moralischen Niederlage von den moralischen Siegern nochmals vorgeführt zu werden - auch wenn man am Neuen mitmachen und das Gute in ihm anerkennen will: siehe die Behandlung verstorbener Beamter des Auswärtigen Dienstes, die in ihrer Jugend in der NSDAP waren, siehe die Bloßstellung und berufliche Vernichtung selbst von Sporttrainern als Stasi-Spitzel, 20 Jahre nach dem Untergang der DDR.

Wenig Nachdenken, viel Hysterie

Null Toleranz? Null Verstand, null Mut und null Gespür. Diese Grundeinstellung des politisch korrekten Großlagers in Deutschland passt zur Äußerungskultur beim Kampf gegen rechts: wenig Nachdenken, viel Hysterie und noch mehr Selbstgerechtigkeit. Was geht das politische Denken eines jeden Einzelnen von uns, also auch das eigene Rechtssein beispielsweise die Bundestagsabgeordneten Maria Böhmer, Sebastian Edathy oder Ulla Jelpke an (um drei besonders tapfere Antifaschisten zu benennen)?

Sind sie vom Grundgesetz als Denkpolizisten eingesetzt? Wobei es bei der Ulla natürlich überhaupt kein Problem damit gibt, dass sie vor der Wende Aktivistin einer maoistischen Westsekte war. Zieht sich den steuergeldfinanzierten Kampf gegen rechts an den Hals, wer die Sache mit dem Einwanderungsland nicht so toll oder den öffentlichen Sexismus von Frauen und Männern als dekadent oder die Globalisierungskriege der Nato als organisierte Verrücktheit empfindet? All das gilt schon als ziemlich rechts oder furchtbar konservativ.

Rechts steht für Ordnung, Differenz, Distanz. Und links für die Einebnung von Unterschieden und für Universalität. Wenn die Zeitungen recht haben, handelte zum Beispiel Helmut Schmidt immer wieder rechts, Henry Kissinger und Menachem Begin ebenso, auch der jetzige und der letzte Papst. Neuerdings, heißt es, auch Oskar Lafontaine.

Für den Publizisten Sebastian Haffner liegt der Unterschied zwischen rechts und links auf der Hand, genauer auf den Händen: Der "rechten" Arbeitshand entspricht die "linke" theoretische Hand zum Gegensteuern (bei Linkshändern ist es natürlich umgekehrt). Eine Erfahrung des 20. Jahrhunderts ist es, dass sich diese Richtungen nicht als Todfeinde gegenüberstehen dürfen.

Auf der anderen Seite müssen die mit der unterschiedlichen Betrachtung nun einmal verbundenen rechten und linken Wahrheiten offen ausgesprochen werden dürfen. Wo das nicht geschieht, ist ein ödlangweiliger politischer Einheitsbrei die Folge, den man in den Talkshows beobachten kann und der mitursächlich für die oft blamabel geringe Wahlbeteiligung hierzulande ist.

Außerdem fangen Wahrheiten, die man nicht aussprechen darf, zu stinken an. Dazu gehört auch der tatsächliche Sachverhalt spektakulärer Fälle angeblich eindeutiger rechter Gewalt, die sich bei nachträglicher Untersuchung als politisch-mediale Windeier herausstellen. Bei dem durch die Medien gejagten Fall Mügeln gehen sie auf den Bürgermeister los, der sich die Verunglimpfung seiner Stadt nicht gefallen lassen will, weil er der ach so furchterregenden Jungen Freiheit ein Gespräch gewährt hat (was dummerweise zahlreiche SPD- und FDP-Mitglieder vor ihm auch schon getan haben, angefangen mit dem früheren Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis).

Tatsächlich hat der Mann recht und verdient Unterstützung. Was dort überhaupt vorgefallen ist, wird sich zeigen. Der weltweit diskutierte Fall eines Deutsch-Äthiopiers - wo sich der Generalbundesanwalt einschaltete und die tatverdächtigen Deutschen an Händen und Füßen gefesselt im BGS-Hubschrauber nach Karlsruhe schaffen ließ - hat sich als Schlägerei unter Betrunkenen herausgestellt, die auch noch vom "Opfer" ausgegangen sein soll.

Der mediale Exzess nach dem Tod eines unbeaufsichtigten Kindes in Sebnitz - das angeblich von Neonazis ertränkt worden sein soll (was sich als Wahnvorstellung herausgestellt hat) ist noch in qualvoller Erinnerung. Diese Aufzählung gezielter Desinformationen gegen rechts ist nur beispielhaft. Dafür wird über den dramatisch steigenden Ausländeranteil bei Straftaten aller Art amtlicherseits überhaupt nicht mehr gesprochen, weil die entsprechende Statistik nicht mehr veröffentlicht werden darf.

Und die NPD? Sie schadet Deutschland ja wirklich und gibt rechten Thesen durch Art und Übertreibung einen abstoßenden und pathologischen Zug. Aber ihre Wahl ist offensichtlich für nicht wenige Menschen auch ein Ventil. Das Ungeschick, mit dem etablierte Parteien und Fernsehleute damit umgehen, kann man bei den TV-Wahlabenden beobachten: Wenn Politiker und Interviewer wie Angstbeißer auf die anwesenden NPD-Politiker losgehen.

Eine souveräne Widerlegung dieser Leute sieht anders aus. Die Bewilligung von 24 Millionen Euro für die regierungsamtlichen Haushaltsstellen gegen rechts und damit verbundene Planstellen sind keine Kunst. Ein weiterer Verbotsantrag und eine damit verbundene monatelange Scheindebatte auch nicht. Gefragt sind als Gegenrezept nicht Ächtung und eine Strategie diffamierter Negativgruppen wie die Herabwürding ganzer Bevölkerungsgebiete als "No-go-Areas", sondern Überzeugungsstärke und Argumentationskraft, welche die guten Werte, Traditionen und herausragenden Leistungen des wiedervereinigten Deutschland beim Namen nennen.

© SZ vom 7.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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