Außenansicht:Frische Datteln für die Häftlinge

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Menschenrechtsorganisationen kritisieren die Haftbedingungen in Guantanamo heftig. Doch obwohl dort durchaus Fehler passieren, ist das Negativbild, das die Medien zeichnen, überzogen - sagt Ronald Rotunda von der George Mason School of Law in Arlington, USA.

Die Medien beschäftigen sich ausführlich mit den Fehlern der USA im Kampf gegen den Terrorismus. Und sie tun gut daran. Denn Kritik in ausländischen Zeitungen ist wichtig, um Machtmissbrauch entgegenzutreten.

Einer der Plätze, wo sich die Gefangenen in Guantanamo im Freien aufhalten dürfen. (Foto: Foto: AP)

Die Publizität um die Entführung des im Libanon geborenen deutschen Bürgers Khaled el-Masri ist ein Beispiel.

Terroristen tragen entgegen den Bestimmungen der Genfer Konvention keine Uniformen oder andere Erkennungszeichen. Dadurch werden Zivilisten gefährdet.

Anscheinend hat in diesem Fall die mazedonische Polizei el-Masri an Agenten der CIA ausgeliefert, weil Polizei und Agenten ihn für ein aktives Al-Qaida-Mitglied mit ähnlichem Namen hielten. Danach, so scheint es, hat die CIA ihn rechtswidrig in Afghanistan gefangen gehalten, bis der Fehler aufgedeckt wurde.

Wir müssen über solche Fehlgriffe informiert werden. Es gibt aber auch eine andere Seite des Problems, nämlich das, was im Gefängnis der USA in Guantanamo Bay geschieht.

Ich habe Guantanamo mehrmals besucht und hatte unbeschränkten Zugang zu allen Teilen des Lagers. Ich besuchte die Zellen, die Verhörräume, den Volleyball-Platz und die Speisesäle. Was ich sah, entsprach nicht meinen Erwartungen. Die Medien hatten berichtet, dass jeder Gefangene isoliert in einer Einzelzelle weggeschlossen wird.

Die meisten Zellen sind durch Maschendrahtzäune voneinander getrennt. Daher können die Gefangenen miteinander sprechen und Spiele machen, die das Militär für sie bereithält - wie Dame, Schach oder Backgammon.

Guantanamo ist ein US-Stützpunkt. Das Leitungswasser ist daher trinkbar, außer in einigen besonders markierten Bereichen. Die Häftlinge wollen Wasser aus Flaschen. Sie erhalten dies, während ihre Wächter Leitungswasser trinken.

Das Militär hat frische Datteln und andere Früchte aus dem Mittleren Osten eingeflogen, sodass die Gefangenen muslimische Feiertage, wie Ramadan und Eid al Fitr, entsprechend ihren religiösen Gebräuchen begehen können. Das Rote Kreuz inspiziert die Basis regelmäßig.

Die Gefangenen erhalten die gleiche medizinische Versorgung wie die Soldaten. Einige erhalten zum ersten Mal Brillen und notwendige Medizin.

Nach ihrer Entlassung haben einige gegenüber den Medien angegeben, sie seien gut behandelt worden. Andere haben Foltervorwürfe erhoben. Dies bedeutet allerdings nicht, dass Folter tatsächlich stattgefunden hat, da das Al-Qaida-Trainingshandbuch seine Mitglieder anweist, stets zu behaupten, sie seien gefoltert worden.

Schlimme Vorkommnisse wurden bestraft

Es hat schlimme Vorkommnisse gegeben, bei denen sich Soldaten falsch verhalten haben. Dies ist vom Militär bestraft worden. Ein Gefangener hat zum Beispiel seinen Urin aufbewahrt und über einen Wachposten geschüttet, der daraufhin den Gefangenen geschlagen hat. Der Wachhabende wurde vom Militär bestraft.

Entsprechend einem Urteil des obersten US-Gerichts hat das Militär ein Sondertribunal errichtet, das zu entscheiden hat, ob jeder der Gefangenen rechtmäßig festgenommen wurde. Die US-Regierung informiert den Gefangenen über die Gründe seiner Festnahme und gibt ihm Gelegenheit zur Stellungnahme.

Einige Gefangene machen von diesem Recht keinen Gebrauch. Zusätzlich hat das Militär eine weitere, nicht vom obersten Gerichtshof verlangte Anhörungsmöglichkeit geschaffen. Nach dieser Prozedur wird der Gefangene freigelassen, wenn von ihm keine Gefahr mehr ausgeht, auch dann, wenn er ein Mitglied von al-Qaida oder Taliban ist.

Diese Rechtsprozeduren haben zur Entlassung von Hunderten Gefangenen durch das Militär geführt. Einige Entlassungen waren fehlerhaft. Zwischen fünf und zehn Prozent der Entlassenen wurden später wieder festgenommen oder in Kampfhandlungen getötet.

Einer der Freigelassenen tötete später einen Richter, als dieser eine Moschee in Afghanistan verließ. Ein anderer Gefangener, Abdullah Meshoud, brüstete sich damit, seine Befrager getäuscht und zur Freilassung veranlasst zu haben, sodass er wieder am Kampf teilnehmen konnte.

Es gibt Fälle von Personen, die unrechtmäßig festgehalten wurden. Zum Beispiel stoppte das Militär in Afghanistan einen Lkw mit 21 Männern, die alle wie einheimische Bauern gekleidet waren und viele Waffen mit sich führten. Einer von ihnen sagte aus, er sei nicht Teil der Gruppe, sondern nur ein Bauer, der vom Lkw mitgenommen worden sei. Die anderen 20 weigerten sich, mit den Amerikanern zu sprechen.

Die Gruppe wurde nach Guantanamo gebracht. Nach einigen Monaten sagten einige aus und bestätigten die Version des Bauern. Das Militär ließ ihn frei. Da Terroristen sich als Zivilisten tarnen, sind solche Fehler ebenso bedauerlich wie unvermeidlich.

In jeder Zelle in Guantanamo informiert ein Pfeil die Gefangenen darüber, wo Osten ist - die Himmelsrichtung, in die Muslime ihre Gebete sprechen. Islamische Mullahs halten den Gottesdienst in der Sprache der Gefangenen ab, und fünfmal am Tag wird zum Gebet gerufen.

Jeder Gefangene erhält den Koran. Es kommt vor, dass Gefangene Seiten aus dem Koran herausnehmen und sich geheime Botschaften zusenden.

In mindestens einem Fall hat ein Gefangener den Koran in die Toilettenspülung gegeben und versucht, den Abfluss zu verstopfen. (Es entstanden Gerüchte, die sich später als falsch herausstellten, wonach ein Angehöriger der US-Streitkräfte vorsätzlich ein Exemplar des Koran in die Toilettenspülung geworfen habe. Nach den Verhaltensregeln sind die Soldaten in Guantanamo Bay nicht einmal befugt, den Koran anzufassen.)

Fluchttunnel unter der Moschee

Das Militär ist angewiesen, die Religion zu respektieren. Die Gefangenen sind hierüber informiert und nutzen die Information aus. Im Gefangenenlager "Bucca Detention Center" im Irak errichtete das Militär ein Zelt als Moschee und wies die US-Soldaten an, dieses nicht zu betreten.

Die Gefangenen benutzten das Zelt, um einen Fluchttunnel zu graben. Nachdem die Wachen über die Ausbruchsabsicht informiert worden waren, beendeten sie diesen Zustand, und es kam zur Rebellion. Am vierten Tag forderten die Wachen Luftunterstützung an, und die Gefangenen ergaben sich.

Die Regierung ist gehalten, alle Gefangenen human zu behandeln, weil dies der allgemeinen Rechtsüberzeugung entspricht und dem, was das Recht der USA erfordert. Die Regierung wird Fehler begehen, da alle Institutionen fehlerbehaftet sind, in denen Menschen arbeiten. Die Maxime muss sein, aus Fehlern zu lernen.

(SZ vom 2.1.2006)

© Ronald D. Rotunda ist "Foundation Professor of Law" an der George Mason School of Law in Arlington, Virginia. Derzeit lehrt er am Law and Economics Programme der Universität Hamburg. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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