Auslandseinsätze:Angst vor Corona in den Camps

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Die Bundeswehr dünnt in Afghanistan, Irak und Mali das Personal aus.

Von Mike Szymanski, Berlin

Für die Besatzung der Fregatte Baden-Württemberg dürfte an diesem Donnerstag eine anstrengende Zeit auf See zu Ende gehen. Im Laufe des Tages wird das Kriegsschiff in Wilhelmshaven zurückerwartet, am 7. Februar war die Baden-Württemberg dort mit Ziel Brasilien ausgelaufen. Das Schiff ist neu, es müssen noch Testfahrten absolviert werden. Dazu zählt die Erprobung der Technik in warmen Gewässern. Für die etwa 130 Frauen und Männer an Bord ist es ein aufregender Prozess, ein neues, noch dazu eines der modernsten Schiffe der Marine zu übernehmen. Im Hafen von Salvador de Bahia hätte die Besatzung Landgang gehabt - wenn alles nach Plan gegangen wäre. Als das Schiff auslief, ahnte wohl noch niemand, in welch eine Krise das Coronavirus die Welt stürzen würde. Der Landgang jedenfalls musste gestrichen werden und so kommt es, dass die Seeleute in Wilhelmshaven das erste Mal nach dann bald zehn Wochen das Schiff wieder verlassen dürfen. Quarantäne? Nicht mehr nötig.

Die Ausbildungsmissionen im Irak und in Mali sind derzeit ausgesetzt

Die Corona-Krise bringt neue Härten für die Soldatinnen und Soldaten in Manövern und in den Einsätzen mit sich. Die Bundeswehr hat selbst alle Hände voll damit zu tun, ihren operativen Betrieb sicherzustellen. Die Marine ist bislang einigermaßen glimpflich davongekommen. Sie muss nur unbedingt verhindern, dass das Virus an Bord gelangt. Denn in diesem Fall müsste die gesamte Besatzung in Isolation. Es gab zwei kritische Fälle, einen auf einem Versorgungsschiff, einen anderen auf einer Korvette. Die Schiffe lagen aber im Heimathafen und in der Werft. Die Marine konnte gut damit umgehen. Für die Schiffe, die gerade im Einsatz sind, etwa im Mittelmeer, gilt: Niemand geht von Bord, niemand kommt aufs Schiff.

Immer deutlichere Spuren hinterlässt die Krise auch in den großen Einsatzgebieten der Bundeswehr. Es gilt zu verhindern, dass das Virus in die Camps eingeschleppt wird. Dort leben die Soldaten eng zusammen, das Abstandhalten fällt schwer, wenn es wenig Raum zum Ausweichen gibt. Nach SZ-Informationen steckt die Bundeswehr in konkreten Planungen, in allen Auslandseinsätzen das Personal auszudünnen. Es soll nur noch jene Zahl im Einsatzgebiet bleiben, die gebraucht wird, um den Grundbetrieb für die Mission aufrechtzuerhalten.

Im Irak, wo die Bundeswehr bei Bagdad und im kurdischen Norden Soldaten ausgebildet hat, sind nur noch 40 Soldaten - es waren mal etwa 150. Die Ausbildung pausiert. Beim Einsatz in Mali, mit etwa 1250 Bundeswehrsoldaten, sind "alle laufenden Lehrgänge" ausgesetzt. Ausbilder, deren Einsatzzeit abläuft, werden schon nicht nachbesetzt. Für Afghanistan, wo die Bundeswehr mit 1028 Soldaten vertreten ist, gilt es, den "Personalkörper für die nächsten rund zwei Monate so klein wie möglich zu halten". Infolge des Abkommens zwischen den USA und den Taliban soll bis Mitte Juli auch die Truppenstärke der Bundeswehr um 18 Prozent reduziert werden, dies wird nun beschleunigt. Die Bundeswehr will aus den Einsatzgebieten alles Personal ausfliegen, "das nicht unmittelbar für die Erfüllung der Kernaufträge erforderlich" sei.

© SZ vom 16.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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