Ausländerhass:Das rechte Auge der Kommunen

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Der Zuwachs an rechtsextremen Gewalttaten belebt die Diskussion darüber, wie sie vermieden werden können. Geplant ist, erfolgreiche Projekte umzustrukturieren, Lokalpolitiker sollen über die meisten Initiativen entscheiden - der falsche Weg, sagen Kritiker .

Christopher Stolzenberg

Die Meldung über den Zuwachs an rechtsextremen Straftaten hat die Diskussion um die Projekte gegen Rechtsradikalismus belebt. Derzeit wird deren künftige Finanzierung im Bundesfamilienministerium neu organisiert. Einige Projekte sollen demnach nicht weiter geführt werden, andere werden in einem neuen Rahmen organisiert, wie etwa die Beratung von Opfern rechtsextremer Gewalttaten. Das ruft angesichts der vorläufigen Zahlen aus dem Bundesinnenministerium Kritiker auf den Plan.

Ich richte einen flehentlichen Appell an Ursula von der Leyen", sagte Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) und forderte die bisherigen mobilen Beratungsprogramme wie die Opferhilfen konsequent fortzusetzen. Das, was in den vergangenen Jahren bei den Bürgerinitiativen am Ort an Kompetenzen in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus entstanden sei, müsse weiter genutzt werden.

Gewachsene, erfolgreiche Strukturen werden wegstrukturiert

"Auch könne man die Entscheidung über den überwiegenden Teil der Hilfsprogramme künftig nicht allein den Kommunen überlassen, wie vom Familienminsterium geplant. "Es gibt leider Kommunalpolitiker, die sind auf dem rechten Auge blind", sagte Thierse.

Ein Problem, das Tim Bleis gut kennt. "Dass die Kommunen sich dem Problem verschließen ist die Regel", sagt der Mitarbeiter bei der Opferberatung "Lobbi" in Mecklenburg-Vorpommern. Oft würden Politiker das Problem entpolitisieren, indem sie den Opfern die Schuld geben. Bleis erinnert sich an einen gewaltätigen Angriff auf einen Togolesen in Wismar.

Der Afrikaner konnte sich nach der heftigen Attacke im April 2006 nicht mehr genau erinnern, die Täter verbargern während des Gerichtsprozesses ihre Gesinnung. Das Verfahren wurde eingestellt und Vermutungen wurden laut, dass das angetrunkene Opfer einfach leicht reizbar gewesen sei. Tim Bleis ist anderer Ansicht: "Wenn drei Männer einen Afrikaner grundlos angreifen, dann scheint mir jedenfals der Hintergrund äußerst klar."

Noch mehr solcher Vorfälle als im vergangenen Jahr hat die Opferberatung "Lobbi" allein bis September 2006 in ihrem Bereich beobachtet: 62 Übergriffen aus 2005 stehen 83 aus diesem Jahr gegenüber. Der Bundestrend auf der Grundlage der vorläufigen Zahlen des Bundesinnenministeriums scheint sich in Mecklenburg-Vorpommern noch stärker auszuwirken.

Damit die Opfer der Übergriffe nicht auf der Strecke bleiben, bietet ihnen "Lobbi" Beratung und Betreuung an. Doch damit könnte es im nächsten Jahr vorbei sein. "Die Finanzierung durch die Bundesprogramm ist nur bis Ende 2006 gesichert", sagt Bleis. Bis Mitte 2007 könnte es weitergehen, sollte der Antrag bewilligt werden. Was danach komme, sei ungewiss.

Das Bundesfamilienminsterium plant die so genannten Strukturprogramme, zu denen die Opferberatung gehört, künftig in mobile "Kriseninterventionsteams" umzuwandeln. Die Finanzierung und Koordinierung erfolgt künftig von der Bundesebene aus. "Die Mitarbeiter der bisherigen Projekte können in diesem Rahmen ihre Tätigkeit fortsetzen", stellt ein Sprecher des Bundesfamilienminsteriums in Aussicht. Doch mit der Umstrukturierung gehen auch gewachsene, erfolgreiche Strukturen verloren.

Diese Angebote auf lokaler Ebene mit ehrenamtlicher Arbeit und Spenden fortzuführen, sei nicht zu bewältigen, wenn man berücksichtigt, dass "Lobbi" ein Dutzend Landkreise betreut und die Mitarbeiter viel im Land unterwegs sind, um vor Ort zu helfen. "Ein bißchen Opferberatung kann es nicht geben", sagt Bleis. Nur eine langfristige lokale Strategie führe zum Erfolg.

Ein Schlüsselwort im Zusammenhang mit der Förderung ist die "Evaluation", die den bisherigen Erfolg der Projekte messen soll. Doch Erfolg im Kampf gegen rechts lässt sich nicht allein auf ein einziges Projekt reduzieren. Eine einfache Rechnung, wie Eberhard Seidel von der Initiative "Schulen ohne Rassismus" in Berlin hervorhebt: "Man braucht lokale Kooperationspartner und eine gute Koordination auf Landesebene."

Netzwerke aus Projekten und Kommunen, die den Kontakt zu den Schulen halten, garantierten den langfristigen Erfolg. So lobt er zum Beispiel das Engagement von Hoyerswerdas Bürgermeister, der neben anderen Projekten die zwei örtlichen "Schulen ohne Rassismus" ausdrücklich unterstütze, indem er die Auseinandersetzung mit Rassismus immer wieder ins öffentliche Bewusstsein rücke.

Die Politik vor Ort habe eine Schlüsselposition. "Dort wo die gemeinsame Aktion gut läuft, da haben wir auch Erfolg", sagt Seidel. In Brandenburg gibt es nun mehr als 25 "Schulen ohne Rassismus", in Mecklenburg-Vorpommern nur zwei. "Hier gibt es eindeutig noch Handlungsbedarf", sagt Seidel. Tim Bleis pflichtet ihm bei: "Noch ist die NPD in den Landkreisen und Kommunen eine Minderheit." Die könnte aber größer werden, wenn sich der Trend der Landtagswahl 2008 auf lokaler Ebene fortsetzt.

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