Auftritt vor dem EU-Parlament:Berlusconi beherrscht sich

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Der zweite Besuch des italienischen Regierungschefs im EU-Parlament ist ohne verbalen Schlagabtausch verlaufen. Sogar der einst von Berlusconi brüskierte SPD-Abgeordnete Martin Schulz fand lobende Worte.

Für den Tod der dreizehn somalischen Bootsflüchtlinge vor der italienischen Küste habe der italienische Premier ergreifende Worte gefunden, sagte Schulz. Dennoch forderte der Politiker, Berlusconi solle seinen Koalitionspartner Umberto Bossi wegen dessen ausländerfeindlichen Bemerkungen stärker in die Schranken weisen.

Politischer Kurswechsel angekündigt

Der italienische Regierungschef bemühte sich, seinen skandalträchtigen Auftritt von vor drei Monaten vergessen zu machen. Damals hatte er als frisch gebackener EU-Ratspräsident den deutschen Abgeordneten Schulz als geeigneten Darsteller eines KZ-Kapos bezeichnet und damit europaweit für Empörung gesorgt.

Zwar fragte Schulz Berlusconi auch heute wieder nach der Einführung eines EU-weiten Haftbefehls und eines europäischen Staatsanwalts - Themen, die damals Anlass für den Eklat gewesen waren. Dieses Mal kündigte Berlusconi tatsächlich einen politischen Kurswechsel an: Italien werde sich nunmehr für die Realisierung dieser Pläne einsetzen. Konkrete Angaben zu Art und Zeitpunk ihrer Umsetzung machte er allerdings nicht.

Punktuelle Übereinstimmung mit Prodi

Unter dem Eindruck des Dramas um die somalischen Flüchtlinge forderte Berlusconi auch eine engere Zusammenarbeit der EU in Einwanderungs- und Flüchtlingsfragen. Das "christliche und zivilisierte Europa" müsse auch die Möglichkeiten der legalen Zuwanderung verbessern, forderte der italienische Ministerpräsident.

Mit dieser Haltung liegt Berlusconi auf einer Linie mit seinem innenpolitischen Rivalen Romano Prodi, dem Kommissionspräsident der EU. Prodi hatte erst kürzlich angeregt, Kontingente für eine legale Einwanderung von Wirtschaftsflüchtlingen zu schaffen.

Ganz kritiklos kam Berlusconi bei seinem Besuch in Straßburg aber nicht davon. Parteiübergreifend äußerten die Abgeordneten Kritik an seinem mangelnden Einsatz für die Gefangenen von Guantanamo Bay. Das Thema hätte auf die Tagesordnung des EU-Gipfels der vergangenen Woche gehört, schließlich würden auch 26 EU-Bürger im Gefangenenlager der USA für Terrorverdächtige festgehalten.

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