Auftritt der Bundesfamilienministerin:Köhler, Klatsch und geballte Fäuste

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Bewährungsprobe in Berlin: Warum der erste größere Auftritt der neuen Familienministerin Kristina Köhler einen schwierigen Start ins Amt erahnen lässt.

Felix Berth

Das hier ist keine Pressekonferenz, sondern ein Hauptseminar. Vorne sitzt der Professor, ein Soziologe, 63 Jahre alt; er trägt ein legeres Sakko und darunter einen gemütlichen Wollpullover.

"Nötig ist ein neues Selbstverständnis der Männer": Bundesfamilienministerin Kristina Köhler (CDU) (Foto: Foto: ddp)

Daneben die Assistentin, 32 Jahre, alt, ebenfalls promoviert in Soziologie, im dezent-schwarzen Kostüm, mit strengem Seitenscheitel. Die Frau hat sich gut vorbereitet auf ihr Referat, das man mit "Instrumente und Effekte der deutschen Familienpolitik seit 2005" überschreiben könnte.

Knapp gibt sie die Methode einer Studie wieder ("interessante objektive und subjektive Faktoren wurden hier kombiniert"); ohne zu stocken deutet sie die Ergebnisse der Untersuchung: "In Deutschland investieren Eltern viel in die Bildung ihrer Kinder; das zeigt, dass die Leistungen des Staates bei den Kindern ankommen."

Und schließlich entwickelt die Referentin ein paar weiterführende Forderungen: "Wenn Eltern ihre Kinder allein erziehen, darf das kein Armutsrisiko für die Kinder sein." Der Staat müsse die Berufstätigkeit der Alleinerziehenden fördern, die Kinderbetreuung ausbauen, den Unterhaltsvorschuss verlängern, die Aufteilung des Elterngeldes zwischen den Partnern erleichtern. Punkt, Ende des Vortrags.

Fragen an die Referentin

Wie es sich für eine Uni-Veranstaltung gehört, ist der Raum überheizt, weil sich zu viele Zuhörer auf zu wenige Sitze zwängen. Und wie gewohnt wird die Referentin befragt, sobald sie mit ihren Thesen durch ist. Manche Frager demonstrieren ihre Sachkenntnis, andere interessieren sich eher für Persönliches: Warum die junge Frau denn, wie FR-online meldet, bei ihrer Hochzeit im Februar ihren Mädchennamen aufgeben und durch "Schröder" ersetzen will?

Der Professor beugt sich kichernd über den Tisch; als guter Soziologe entdeckt er bestimmt auch im Klatsch etwas Politisches. Die Referentin selbst sagt kühl, das habe mit dem heutigen Thema nichts zu tun.

Was kann sie?

Das Hauptseminar ist eben doch keines, sondern eine Pressekonferenz - die erste, bei der die neue Bundesfamilienministerin Kristina Köhler (CDU) auftritt. Eingeladen hat das Kinderhilfswerk Unicef; diesen Termin mit dem Soziologieprofessor Hans Bertram hatte noch Köhlers Vorgängerin Ursula von der Leyen vereinbart. Und so bietet sich an diesem Donnerstag die erste Gelegenheit, die familienpolitischen Meinungen einer Frau kennenzulernen, die sich für Familienpolitik bisher kaum interessierte.

Natürlich lädt ein solcher Termin dazu ein, sich die großen Fragen zu stellen: Was will Kristina Köhler? Und was kann sie? Bisher vermittelte sie den Eindruck, ihre Meinungen nach einem eigenartigen Prinzip zusammenzustellen: Hier ein bisschen scharfe Islamkritik, ergänzt durch etwas Gleichsetzung von Rechts- und Linksextremismus.

Dann wieder liberale Positionen, die die Konservativen irritieren - so notierte die Welt gerade, Köhler habe als persönlichen Referenten einen Aktivisten aus der Schwulenvereinigung der Union engagiert.

Seltsame Puzzlestücke sind das, die sich in ihren wenigen Interviews bisher nicht zu einem Bild zusammenfügten: Wenn sie sprach, sagte sie nichts Neues. Stattdessen schickte sie Anwälte gegen die Bild-Zeitung los, deren Reporter neugierig waren auf die Entstehung von Köhlers Doktorarbeit.

Und eher ungeschickt verkündete sie, dass sie - obwohl neu im Amt - gleich mal in die Ferien ging: "Arbeite gerade Hunderte von Mails ab. Immer der Nachteil nach einem Urlaub ...", teilte Köhler via Twitter mit. Das sollte vielleicht Nähe zum Leser schaffen, schließlich geht es anderen Studenten genauso, wenn sie sich nach dem Urlaub wieder an ihre Soziologie-Hausarbeit setzen müssen.

Geballte Fäuste

Immerhin, ein einziges Mal an diesem Donnerstag zeigt Köhler, dass ihr ein Thema wichtig ist: die Beteiligung junger Väter am Familienalltag. Da ballt sie die Fäuste und wirkt so, als wüsste sie, wofür zu engagieren es sich lohnt: "Nötig ist ein neues Selbstverständnis der Männer", sagt Köhler. Sie müssten "vom Weichei-Verdacht befreit" werden, wenn sie sich um ihre Kinder kümmern.

Das ist keine dramatisch neue Erkenntnis, doch man muss der Ministerin zubilligen, dass ihr Start nur schwierig sein kann. Denn sie hat ein thematisch leergeräumtes Haus übernommen: Alles, womit man politisch punkten konnte, hat Ursula von der Leyen abgegrast.

So sind die Pläne, die Köhler am Donnerstag nannte, eher in der Kategorie "Reform der Reform einer Reform" einzuordnen: Das Teilzeit-Elterngeld war im Ministerium schon im ersten Korrekturdurchlauf des Gesetzes erwogen, dann aber verworfen worden.

Ähnlich die Verlängerung des Unterhaltsvorschusses und die Erweiterung des Kinderzuschlags: Das sind kleine Korrekturen, die allenfalls in der Zeitschrift Sozialrecht aktuell begeistert besprochen werden.

Vielleicht ist ein Hauptseminar als Einstieg also gar nicht das Schlechteste.

© SZ vom 15.01.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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