Auftakt der Regionalkonferenzen:Tour de Trance

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Bitte leicht nach links drehen! Die acht Teams und der eine Solist, die SPD-Chefs werden wollen, posieren in Saarbrücken. (Foto: Uwe Anspach/dpa)

17 Bewerber, 23 Städte, sechs Wochen: Die SPD macht sich auf die Suche nach ihrer neuen Parteispitze. In Saarbrücken geht es auch darum, wie sich das Schaulaufen der Kandidaten beleben lässt.

Von Mike Szymanski, Saarbrücken

Wo ist nur Olaf Scholz? Im Foyer der Saarbrücker Kongresshalle haben die Regisseure des Willy-Brandt-Hauses einen Fototermin angesetzt. Alle Kandidaten, die sich für den SPD-Vorsitz bewerben, sollen sich auf einem kreisrunden roten Teppich versammeln. Es sieht ein bisschen aus wie in einer Manege und es geht in der nächsten halben Stunde auch so zu. Bitte nach vorn schauen! Bitte leicht nach links drehen! Wie Attraktionen werden die acht Teams und der eine Solist der Presse zugeführt. Alle machen mit. Nur Olaf Scholz, 61, Vizekanzler und Finanzminister, hat sich verkrümelt. Wartet er darauf, dass ihn jemand fragt, ob er aufs Foto will?

Jetzt zeigt sich auch, warum es von Vorteil sein kann, wenn die Partei in Zukunft wohl von einer Doppelspitze geführt wird. Es ist Scholz' Teampartnerin, die Potsdamer Landespolitikerin Klara Geywitz, die ihn schließlich ins Bild rückt. Links außen, an ihrer Seite. Scholz fügt sich ungelenk in sein Schicksal. Selbst für einen Politikprofi wie ihn ist neu, was sich seine SPD gerade erlaubt.

Jetzt geht sie also los, die "Tour", wie sie in der SPD sagen. Acht Bewerber-Teams und ein Einzelkämpfer wollen an die Parteispitze. Insgesamt 17 Kandidaten. Bekannte und weniger bekannte. 23 Städte werden sie bereisen. Große wie Berlin und kleine wie Nieder-Olm in Rheinland-Pfalz. Startpunkt für die Regionalkonferenzen, bei denen sich die Bewerber der Basis vorstellen, ist am Mittwoch Saarbrücken. Der Fototermin ist eine Art Lockerungsübung für den Abend. Auf der Bühne werden die Bewerber später mitunter nur 60 Sekunden Zeit haben, um auf Fragen zu antworten. Im Gespräch mit der Presse können sie schon mal üben, sich kurz zu fassen.

Nur der Bayer Karl-Heinz Brunner tritt ohne Partner an. "Der Wolf im Wald", scherzt er

Karl-Heinz Brunner, 66 und Bundestagsabgeordneter aus Bayern, gelingt das ganz gut. Er hat es aber auch einfacher, weil er auf niemanden Rücksicht nehmen muss. Er ist der Einzige, der ohne Partner antritt. "Der Wolf im Wald", scherzt er. Für die große Koalition wäre dieser Wolf keine Gefahr als SPD-Chef. Er meint, Verträge sind einzuhalten. Ob er mit dieser Position Liebling der Basis werden wird? Jeder macht längst Wahlkampf in eigener Sache. Boris Pistorius und Petra Köpping - er Innenminister in Niedersachsen, sie Integrationsministerin in Sachsen - versprechen zum Tour-Start ein milliardenschweres Investitionsprogramm und rütteln an der schwarzen Null. Europa-Staatsminister Michael Roth und seine Partnerin Christina Kampmann, frühere Familienministerin in Nordrhein-Westfalen, laden vor der Regionalkonferenz zum Fan-Treffen ein.

Alexander Ahrens, OB in Bautzen und Partner von Simone Lange, OB in Flensburg, die vor einem Jahr gegen Andrea Nahles um den Parteivorsitz gekämpft hatte, erzielt schon mal einen Achtungserfolg, weil er als einziger neben Brunner mit Krawatte auftritt. Der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach trägt nach einer Pause wieder Fliege. So dürften die Leute ihn besser erkennen. Scholz gibt das menschgewordene Grundsatzprogramm der SPD. Er sagt, er könne es nicht ertragen, wenn Leute im Restaurant keine Achtung vor jenen hätten, die ihnen den Kaffee bringen. Im Übrigen ist er der Meinung, dass die Konferenzen zeigen werden, dass die Kandidaten mehr gemeinsam haben, als viele denken. Scholz ist erkennbar nicht auf Krawall aus.

Der Ablauf: Vorstellungsrunde, dann stellt ein Moderator Fragen, dann sind Mitglieder an der Reihe

Der Solist Brunner wird fürs Foto nur solange von den Pärchen in ihre Mitte genommen, bis das Geraune losgeht, Simone Lange sei kaum zu sehen. Dass Lange nach den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg Scholz zum Rücktritt aufforderte, ist offenbar schon wieder vergessen. Wie ein kleiner Politik-Zirkus zieht nun der Tross aus Bewerbern, Helfern und Journalisten durchs Land. Man trifft sich frühmorgens im Flieger oder spätabends im Zug. Die Stimmung: Aufgeladen mit Erwartungen.

Die Regionalkonferenzen - die erste startete nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe - folgen einem festen Muster. Am Anfang stellen sich die Teams und Einzelbewerber in je fünf Minuten vor. Dann befragt ein Moderator die Kandidaten zu aktuellen Themen. Anschließend dürfen die Parteimitglieder Fragen stellen - 50 Minuten bis eine Stunde. Das eine oder andere Element zur Abwechslung soll es auch geben: 23-mal die gleichen Auftritte - das belebt nicht, das schläfert ein. Saarbrücken ist der Testlauf.

Fast sechs Wochen liegen jetzt vor den Bewerbern. Ob alle bis zum Ende durchhalten? Das Land ist groß, die Fahrtstrecken sind mitunter weit. Abwarten, wie klein die Augen der Kandidaten bald sein werden. Vom 14. bis zum 25. Oktober werden die Mitglieder zu ihrem Favoriten befragt. Womöglich kommt es zu einer zweiten Abstimmungsrunde. Wer auch immer auf dem Parteitag Anfang Dezember an die Spitze gewählt wird: Diese Personen haben bewiesen, dass sie viel aushalten. Geschenkt bekommen sie auch danach nichts.

© SZ vom 05.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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