Atomausstieg:Viele Quellen führen zum Strom

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Die solide Energie-Versorgung der Zukunft ist eine Frage der geschickten Mixtur. Rot-Grün hat die Weichen richtig gestellt, nun folgt die Feinjustierung. Wie geht es weiter mit Wind-, Wasser- und Solarenergie?

Von Wolfgang Roth

(SZ vom 17.1.2004)

Fast geräuschlos hat der Bundestag die erste Lesung zu zwei energiepolitischen Gesetzen absolviert, die für die Zukunft des Landes essenzielle Bedeutung haben.

Es geht um die weitere Förderung erneuerbarer Energiequellen und den in der EU von 2005 an geplanten Handel mit begrenzten Berechtigungsscheinen, die den Ausstoß klimaschädlicher Gase erlauben.

Besonders um diesen Emissionshandel wird es in den nächsten Monaten aber laut werden. Verteilungskämpfe innerhalb von Branchen, aber auch zwischen Wirtschaftssektoren sind schon in Gang und werden sich zuspitzen bis zum Frühjahr, wenn Deutschland seinen nationalen Umsetzungsplan nach Brüssel schicken soll.

Gesetz im Großen und Ganzen gelungen

Weil fast 40 Prozent des Ausstoßes von Kohlendioxid durch Kraftwerke verursacht werden, kommt der Strom-Erzeugung große Bedeutung im Klimaschutz zu, womit man wieder bei den erneuerbaren Quellen wäre: bei Sonne, Wind, Wasserkraft, Erdwärme und der Verwertung von Biomasse.

Die Fortschreibung des Gesetzes, das feste Abnahmepreise für diese umweltschonender erzeugte Energie vorschreibt, ist im Großen und Ganzen gelungen. Wichtig ist, dass Investoren auf diesem Feld langfristige Sicherheit erhalten; die aus den Reihen der Opposition vorgeschlagene Förderfrist nur bis 2010 wäre dafür nicht ausreichend.

Windräder als Sünden der Vergangenheit

Richtig ist aber, dass die Finanzhilfen für "die Erneuerbaren" nicht verhindern dürfen, dass diese sich in absehbarer Zeit von alleine am Markt behaupten.

Der zähe Widerstand, der dem Entwurf von Umweltminister Jürgen Trittin aus Wolfgang Clements Wirtschaftsministerium entgegengesetzt wurde, ist zwar auch mit Rücksichtnahme auf die starke Kohle-Lobby vor allem in Nordrhein-Westfalen zu erklären.

Es ist aber nicht falsch, wenn zum Beispiel die Förderung der Windkraft schrittweise stärker abgebaut wird; das erhöht den Druck zur Entwicklung billigerer Technik und setzt Anreize, solche Anlagen dort zu errichten, wo sie einen besonders hohen Ertrag bringen. Dass in der Vergangenheit Windräder auch in wenig geeigneten Regionen errichtet wurden, sollte zu den Sünden der Vergangenheit gehören.

Irrglaube, Uranvorräte seien unendlich

Die Energiepolitik der nächsten zehn Jahre wird mehr von Nüchternheit als von Illusionen geprägt sein. Zu den Illusionen gehört die Vorstellung, man könne ratzfatz aus der Kernenergie aussteigen. Illusionär ist aber auch der Glaube, die Uranvorräte seien unendlich oder im Rahmen einer Plutoniumwirtschaft risikolos zu strecken.

Weil bis 2030 nahezu die Hälfte der deutschen Kraftwerke ersetzt werden müssen, ist die Versorgung in einem Mix aus Kohle, Gas und erneuerbarer Energie zu gewährleisten, solange die Bevölkerung den allmählichen Ausstieg aus der Kernkraft mitträgt.

Unter diesen Prämissen ist das nur zu schaffen, wenn noch mehr als bisher in Einspartechnik und effiziente Verwendung von Energie investiert wird. Dass daran im globalen Maßstab gar kein Weg vorbeiführt, haben manche Regierungen, etwa die US-Administration, noch nicht begriffen, sie werden aber eines Besseren belehrt werden.

Mehr flexible Kraftwerke

Insofern sind die Weichen der rot-grünen Regierung richtig gestellt. Um auf Kurs zu bleiben, bedarf es aber ständiger Feinkorrektur. Dass nun auch die Sanierung bestehender großer Wasserkraftwerke gefördert wird, ist eine solche Justierung der Instrumente.

Natürlich sind Windräder, Wasserwerke und Solarzellen wetterbedingten Schwankungen ausgesetzt. Kritiker weisen deshalb darauf hin, dass ständig herkömmliche Kraftwerke in voller Ersatzstärke zur Verfügung stehen müssen.

In der Tat sind Schwankungen im derzeitigen Regelsystem nicht so leicht abzufedern; zum Beispiel können Atomreaktoren nicht auf die Schnelle hoch- oder heruntergefahren werden.

Diesen Part können aber flexible Gas- und Pumpspeicherkraftwerke übernehmen - es kommt darauf an, den Energiemix anders anzulegen. Letztlich ist das auch eine Frage der im Moment ständig beschworenen Innovationsbereitschaft in Deutschland.

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