Asylpolitik:Vor der Festung Europa

Lesezeit: 2 min

Vor 25 Jahren wurde die Cap Anamur mit Blumen und Beifall begrüßt - heute wird sie wie ein feindlichen Kriegsschiff empfangen. Trotz mancher Fortschritte: Die EU-Staaten drücken sich weiterhin vor der Aufnahme von Asylsuchenden.

Von Joachim Käppner

Als die Cap Anamur wieder in einen deutschen Hafen einlief, gab es Blumen und Beifall. Mehr als 10.000 Menschen hatten die Helfer 1979/80 vor dem Ertrinken gerettet, als vietnamesische boat people, die vor der kommunistischen Tyrannei in ihrer Heimat übers Meer geflohen waren, schließlich in Deutschland eine neue Heimat fanden.

Als sich die Cap Anamur 25 Jahre später den Gestaden Europas näherte, - und wieder waren Menschen an Bord, die man aus der See gefischt hatte - , wurde sie empfangen, als sei sie ein feindliches Kriegsschiff: mit Fregatten, Marinehelikoptern, massivem Polizeiaufgebot.

Die Symbolik dieses Wandels in der Asylpolitik ist geradezu aufdringlich: Europa, aber auch Deutschland, das Heimatland der Cap Anamur, schotten sich ab.

Schier undurchdringlich sind die Bastionen der Festung Europa. "Wir beißen auf Granit", klagte Cap-Anamur-Chef Elias Bierdel in der ARD, als das Schiff von der italienischen Marine vor Sizilien gestoppt worden war.

Eine Angelegenheit der Nationalstaaten

Asylpolitik ist, im Kern, noch immer eine Angelegenheit der Nationalstaaten, und über den kleinsten gemeinsamen Nenner sind die Harmonisierungsversuche in der EU trotz mancher Fortschritte - wie der Anerkennung nichtstaatlicher Verfolgung- bisher nicht hinausgekommen.

Die Asylbeschlüsse von Dublin 1997, inzwischen als gültige EU-Rechtsverordnung fortentwickelt, folgten dem Prinzip: "nur eine Chance".

Wo ein Asylbewerber den Boden der EU betritt, hat er seinen Antrag zu stellen. Für die Sudanesen auf der Cap Anamur heißt das: in Italien.

Lehnen die Behörden dort ab, dürfen es die Flüchtlinge nicht in Deutschland erneut versuchen. Damit wollten die Europäer einen "Asyltourismus" unterbinden.

Um überhaupt einen Antrag auf Asyl in Deutschland stellen zu dürfen, müssten die Flüchtlinge eine Dienststelle des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge aufsuchen. So will es das Asylverfahrensgesetz.

Wer also hier Asyl beantragen will, kann dies auch nur hier tun, da die Behörde im Ausland nicht vertreten ist und schon gar nicht auf Schiffen wie der Cap Anamur. Deutschland müsste also von sich aus anbieten, die Sudanesen ins hiesige Asylverfahren aufzunehmen.

Doch die unmissverständliche Botschaft aus dem Hause Otto Schilys lautet: ohne uns. Offensichtlich geht es vor dem Hintergrund sinkender Asylbewerberzahlen in Deutschland darum, einen Präzedenzfall zu verhindern. Schilys Sprecher Rainer Lingenthal: "Der Staat, der zuerst erreicht wird, ist für die Annahme von Asylanträgen zuständig."

Auch auf einen Flüchtlingsstatus, wie ihn während des Balkankriege Kroaten und Kosovo-Albaner genossen, dürfen die Passagiere der Cap Anamur nicht hoffen. Dies geht nur mit Zustimmung von Bund und Ländern.

Deutschland könnte ihnen Asyl bieten

Bei den Grünen regt sich Protest. Parteichefin Angelika Beer forderte, den Sudanesen Asyl in Deutschland zu geben. Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, die frühere Grünen-Vorsitzende Claudia Roth, nannte die Position des Innenministeriums "legalistisch".

So wie Deutschland und Italien die EU-Richtlinien interpretierten, seien die Dubliner Beschlüsse nicht gemeint: "Die heißen: Jeder hat nur eine Chance, und nicht: Keiner hat eine Chance, in der EU überhaupt Asyl zu beantragen", sagte Roth der SZ.

Deutschland habe jederzeit die Möglichkeit, "den 37 Bootsflüchtlingen Asyl anzubieten und sich damit einen Zugang zu diesen Verfahren zu ermöglichen".

Es sei schwer vermittelbar, sagte Roth, dass "Außenminister Joschka Fischer sich im Sudan gegen Massenmorde, Vertreibung und Gewalt einsetzt, dass wir aber in Europa die Opfer dieser Vertreibung behandeln wie Kriminelle".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: