Argentinien: Vorteil Cristina Kirchner:Lieber Hillary als Evita

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Argentiniens First Lady Cristina Kirchner will ihren Mann als Präsidenten ablösen. Im Wahlkampf setzt sie auf Glamour, Prominenz und Hillary Clinton - nicht auf Eva Perón, die alte Ikone des Landes.

Bernd Oswald

Diese Geschichte handelt von einer jungen Frau aus der Provinz, die sich entschließt, Jura zu studieren. Dabei lernt sie ihren Mann kennen, den es bald in die Politik zieht. Die beiden heiraten und bekommen Nachwuchs. Der Gatte macht Karriere, bringt es erst zum Gouverneur, schließlich zum Präsidenten.

Amtsantritt Cristina Kirchner
:Von der First Lady zur Präsidentin

Argentiniens First Lady Cristina Kirchner drängte schon länger ganz nach oben. Heute übernimmt sie von ihrem Mann Néstor das Präsidentenamt. Auftritte im Blitzlichtgewitter ist sie schon gewohnt.

Doch seine Frau hat ihre eigenen politischen Ambitionen, sichert sich einen Senatoren-Sitz und greift nun selbst nach der Präsidentschaft. Klingt nach Bill und Hillary Clinton?

Richtig, doch es ist auch die Story von Néstor und Cristina Kirchner aus Argentinien. Einziger Unterschied: Während Hillary die Macht in den USA von den Republikanern zurückerobern will, strebt Cristina Kirchner danach, ihrem Mann im Präsidentenamt nachzufolgen.

Die Analogie ist verblüffend - und die First Lady Argentiniens spielt gern mit der Tatsache, dass sich die Werdegänge ähneln. Cristina Kirchner und Hillary Clinton sind gut bekannt miteinander, sie treffen sich öfter und haben angeblich sogar den gleichen Friseur.

Der Name Clinton hat in Argentinien einen guten Klang und es schmeichelt Señora Kirchner, wenn sie mit einer prominenten Protagonistin aus den USA verglichen wird. Cristina Fernández de Kirchner, die zuhause oft nur CFK genannt wird (Erinnerungen an John F. Kennedy, Kürzel JFK, werden wach), profitiert von der Publicity, die sie durch diese Vergleiche bekommen kann.

Ihre guten Prominenten-Kontakte sind ihr größtes Pfund im Wahlkampf: Als First Lady fehlt sie auf keinem Bild, wenn die Mächtigen der Welt in Argentinien sind: Seien es die Bushs, das spanische Königspaar oder Chinas Präsident Hu Jintao. Gerne ist Cristina Kirchner alleine im Ausland unterwegs, jüngst in Spanien, wo sie Premier Zapatero und den Schriftsteller-Veteran Francisco Ayala traf sowie das Denkmal für die Opfer der Terroranschläge vom 11. März 2004 besuchte. Von all diesen Auftritten gibt es viele Fotos, mit denen Kirchner Weltgewandtheit dokumentieren kann.

Lesen Sie im zweiten Teil, warum Cristina Kirchner nicht mit Evita Perón verglichen werden will.

Diese Fotos zeigen auch, wie wichtig der äußere Schein für die First Lady Argentiniens ist: Sie zeigen eine Frau, die nach mehreren Schönheitsoperationen kaum mehr Tränensäcke, dafür volle Lippen hat. sie zeigen auffällige Kostüme und Kleider, dick aufgetragende Schminke, extravaganter Schmuck, teure Accessoires (darunter angeblich eine der legendären Birkin Bags im Wert von mehreren tausend Euro). Nuestra Señora del Shopping, Unsere Herrin der Shoppings, lästert die heimische Presse da schon mal.

Spötter sagen, dass Cristina Kirchner nach ihren zahlreichen Schönheitsoperationen wie Barbie aussieht. (Foto: Foto: AFP)

Eine Leidenschaft, die sie mit ihrer berühmtesten Landsfrau teilt: Eva Perón. Evita war selbst eine politisch ambitionierte Präsidentengattin, der es gelang, die armen Massen mit einer unnachahmlichen Mischung aus Einfühlungsvermögen, Populismus und wohlfahrtsstaatlichen Maßnahmen in den Bann zu ziehen. Ihrem Mann brachte das Wahlsiege, ihr selbst den Titel "spirituelle Führerin der Nation" ein. Heutzutage genießt sie fast Heiligenstatus.

Obwohl dem Peronismus und damit der gleichen politischen Bewegung zugehörig - Parteien nach europäischen Maßstäben gibt es in Argentinien nicht -lehnt es Cristina Kirchner ab, mit der nationalen Ikone verglichen zu werden. Zwar bewertet sie den Einsatz Eva Peróns für die Armen Argentiniens als beispielhaft, doch von der schon ins Feenhafte gehenden Verklärung Evitas hält sie nichts. "Ich identifiziere mich mit dem Bild Eva Peróns nur insoweit, als wir schon mal mit verkrampften Händen am Rednerpult standen", sagte die Senatorin kürzlich in einem Interview.

"Welche Königin?"

Cristina Kirchner will nicht zu Eva Perón zurückblicken, sie will der Zukunftsentwurf des Landes sein. "Der Wechsel hat gerade erst begonnen", ist die zentrale Botschaft ihrer Kampagne. Was das genau bedeuten soll, erklärt Cristina Kirchner nicht; ihre (wirtschafts-)politischen Konzepte - so sie denn existieren - hat sie bisher für sich behalten.

Beobachter vermuten, dass die 54-Jährige den Kurs ihres Mannes, der auf einen starken Staat setzt, weitgehend fortsetzen würde. Es wäre insofern in erster Linie ein personeller Wechsel: von Néstor zu Cristina Kirchner - und möglicherweise wieder zurück.

In Argentinien wird heftig spekuliert, dass das Paar die Präsidentschaft munter hin- und herreichen möchte. Das hätte dann schon fast monarchische Züge. In der Tat ist eine Episode überliefert, als Cristina Kirchner mit Spaniens Königin Sophia fotografiert wurde und die Fotografen die Königin aufforderten, zu lächeln. Kirchner funkte schlagfertig dazwischen: "Welche Königin?"

Offiziell streitet die langjährige Senatorin jegliche dynastische Pläne ab: Die Unterstellung, sie und ihr Mann wollten sich zwei oder dreimal in der Casa Rosada, wie der argentinische Präsidentenpalast heißt, abwechseln, sei näher an der Science Fiction als an der Realität.

Lesen Sie im dritten Teil, warum Néstor Kirchner seiner Frau den Vortritt lässt.

Dennoch stellt sich die Frage, warum Néstor Kirchner, der über die besseren Umfragewerte verfügt, seiner Frau den Vortritt lässt. Belastbare Aussagen des Politikerpaares gibt es nicht, nur mögliche Deutungen. Gefälschte Inflationszahlen, eine dräuende Energiekrise und erste Korruptionsvorwürfe haben den Lack des tatkräftigen und erfolgreichen Präsidenten angekratzt.

Néstor Kirchner könnte sogar von einer unter Regierenden äußerst raren Einsicht geleitet worden sein: In der zweiten Amtsperiode ist es mit den allermeisten argentinischen Präsidenten rapide bergab gegangen, sogar beim großen Caudillo Juan Perón. Will sich da jemand das Lame-duck-Phänomen ersparen? Schließlich kursieren Gerüchte, Kirchners Gesundheitszustand sei schlecht, seit seine ohnehin raren Auftritte in der Öffentlichkeit noch weniger geworden sind.

Ein (phasenweiser) Rückzug gäbe Señor Kirchner die Gelegenheit, bei den heillos zerstrittenen Peronisten für Ordnung zu sorgen und eine neue schlagkräftige Partei aufzubauen. Der Peronismus ist in Kirchnerismus, Duhaldismus und Menemismus zersplittert. Weil keiner dieser (Ex-)Präsidenten seinen Machtanspruch durchsetzen konnte, ist die Partido Justicialista (PJ), wie die Partei Perons offiziell heißt, seit vier Jahren ohne Bundesvorsitzenden - und wird von einem Richter verwaltet.

Cristinas Coup

Andererseits ist diese Zersplitterung momentan ein großes Plus für Cristina Kirchner. Weil sowohl die Peronisten als auch die Opposition zerstritten sind, gibt es de facto keinen Konkurrenten, der ihr bei der Wahl gefährlich werden könnte. Das gilt umso mehr, seit es CFK gelang, Julio Cobos als ihren Vizepräsidenten-Kandidaten zu installieren - es handelt sich um den der Oppositionspartei UCR zugehörigen Gouverneur von Mendoza.

Allerdings hat sich die zweifache Mutter durchaus ihre eigene Machtbasis geschaffen. 2005 kandidierte sie erstmals in der Provinz Buenos Aires, in der fast die Hälfte der argentinischen Bevölkerung lebt. In einem aufsehenerregenden Wahlkampf setzte sie sich gegen Hilda Duhalde durch, die Frau eines Ex-Präsidenten.

Es wäre daher eine Überraschung, sollte Kirchner nicht bereits im ersten Wahlgang in die Casa Rosada einziehen. Als Argentiniens erste gewählte Präsidentin könnte sie dann ihr Versprechen einlösen, Wahlkampf für die Dame zu machen, die das gleiche Ziel unter ungleich schwierigeren Voraussetzungen anstrebt: Hillary Clinton.

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