Arbeitszeit:EU scheitert mit neuer Richtlinie

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Deutsche Ärzte sind erleichtert: EU-Parlament und Ministerrat können sich nicht einigen, die Arbeitszeitregeln europaweit zu lockern.

C. Gammelin und C. Frank

Die strengen deutschen Arbeitszeitregeln für Klinikärzte, Feuerwehr- oder Wachleute werden nicht angetastet. In der Nacht zum Dienstag missglückte der Versuch der EU-Arbeitsminister, die Arbeitszeitregeln europaweit zu lockern, am Widerstand des Europäischen Parlaments. Die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss seien "ergebnislos beendet" worden, hieß es.

Aufatmen bei den deutschen Ärzten - ihre Arbeitszeitregelgungen werden nicht angetastet. (Foto: Foto: dpa)

Brüssel ist durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2003 gezwungen, die seit den neunziger Jahren geltende EU-Arbeitszeitrichtlinie zu ändern. Damals hatte ein deutscher Arzt darauf geklagt, dass Bereitschaftsdienste voll als Arbeitszeit angerechnet werden sollten. Der EuGH gab ihm recht.

Die Bundesregierung setzte das Urteil 2004 in nationales Recht um. Damit bleibt die durchschnittliche maximale Arbeitszeit in Deutschland auf 48Wochenstunden begrenzt. Tarifvertraglich sind Ausnahmen bis zu 60 Stunden möglich. Bereitschaftsdienste gelten grundsätzlich als bezahlte Arbeitszeit.

Das EU-Parlament wollte die deutsche Regel nun europaweit durchsetzen, scheiterte aber am Widerstand einiger Mitgliedsstaaten - darunter auch Deutschland. Die Arbeitsminister stimmten zwar zu, die Arbeitszeit auf 48Wochenstunden zu begrenzen, räumten den Mitgliedsstaaten jedoch viele Ausnahmen ein.

Zudem sollten erst dann Tarif- und Sozialpartner mitbestimmen dürfen, wenn Arbeitnehmer regelmäßig mehr als 60 Stunden arbeiteten. "Das wäre der grundsätzliche Einstieg in die 60-Stunden-Woche gewesen", sagte die Europa-Abgeordnete und SPD-Sozialexpertin Karin Jöns. Das Parlament habe deshalb auf der 48-Stunden-Woche bestanden.

Der tschechische Arbeitsminister Peter Necas warf den Abgeordneten nach dem Scheitern der Verhandlungen vor, Wahlkampf zu führen. "Das Ergebnis war zweifellos durch die herannahenden Wahlen zum EU-Parlament beeinflusst", sagte er. Die vom Rat angestrebte Lösung hätte die Situation in vielen Mitgliedsstaaten verbessert. Während jetzt in einigen Ländern bis zu 78 Stunden wöchentlich gearbeitet werde, wäre dies auf 60 bis 65 Stunden gesenkt worden.

Auf das deutsche Arbeitszeitgesetz hat das Scheitern des Kompromisses keine Auswirkungen. Ärztevertreter zeigten sich darüber erfreut: "Das ist der gute Ausgang einer langen Leidensgeschichte", sagte der Vizepräsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery. Sein Verband hatte befürchtet, dass die Brüsseler Verhandlungen zu einer Arbeitszeiterhöhung führen würden, im schlimmsten Fall auf 90 Wochenstunden.

"Das Europäische Parlament hat im Sinne der deutschen Ärzte und damit auch der Patienten gehandelt, die vor übermüdeten Ärzten geschützt werden", sagte Montgomery.

Auch die Ärztegewerkschaft Marburger Bund bezeichnete das Scheitern der neuen EU-Arbeitszeitrichtlinie als wichtigen Erfolg im Sinne der Patienten und gegen überlange Arbeitszeiten von Krankenhausärzten.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hingegen zeigte sich enttäuscht. "Das ist ein schwarzer Tag für Millionen Arbeitnehmer in Europa, die auf bessere Arbeitsbedingungen gehofft hatten", sagte die stellvertretende Vorsitzende Ingrid Sehrbrock. Sie räumte aber auch ein: "Am Ende wäre der Preis für eine Einigung zu hoch gewesen."

Mit einer neuen Einigung ist auf absehbare Zeit ist nicht zu rechnen. Denn nach den gescheiterten Verhandlungen müsste die Kommission einen reformierten Vorschlag vorlegen. Sie ist nach der Europawahl im Juni aber nur noch bis Oktober im Amt. Das Vermittlungsverfahren zur Arbeitszeitrichtlinie ist das erste, das seit Inkrafttreten des EU-Vertrages von Amsterdam 1997 scheitert. Damals wurde das Mitentscheidungsrecht des Parlaments ausgeweitet.

© SZ vom 29.04.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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