Arafat:Symbolfigur im Kampfanzug

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Palästinenserführer Jassir Arafat inszeniert sich geschickt als Märtyrer - die Verehrung des Volkes ist ungebrochen.

Von Thorsten Schmitz

(SZ vom 13.9. 2003) - Der Protest hat nicht lange auf sich warten lassen: Nach dem Beschluss der israelischen Regierung, Palästinenserpräsident Jassir Arafat zu "entfernen", versammelten sich vor seinem Hauptquartier in Ramallah Tausende Anhänger.

Sie schwören Arafat Treue, indem sie seinen Kampfnamen "Abu Ammar" skandierten. Ab sofort wollen seine Anhänger 24Stunden täglich vor seinem Amtssitz ausharren und sich israelischen Soldaten in den Weg stellen.

Die fulminante Demonstration in der Nacht zum Freitag war Beleg für die ungebrochene Reputation Jassir Arafats.

Verehrt wie ein Heiliger

Ungeachtet der Tatsache, dass die Welt im Friedensnobelpreisträger Arafat inzwischen mehrheitlich einen Terroristen sieht - sein Volk, die dreieinhalb Millionen Palästinenser in Gaza-Streifen und Westjordanland und die 1,5 Millionen palästinensischen Flüchtlinge in Libanon, Syrien und Jordanien, verehrt den Palästinenserpräsidenten wie eh und je.

Die Treueschwüre für Arafat erinnern an die Rückkehr Arafats vom Gipfel in Camp David, wo ein israelisch-palästinensischer Frieden hatte gezimmert werden sollen.

Arafat aber verließ den Gipfel ohne Kompromissvorschlag - und wurde bei der Rückkehr in den staubigen Gaza-Streifen von Tausenden Anhängern gefeiert, als hätte er einen Sieg errungen.

Die Isolation Arafats durch Israels Armee in den vergangenen 20 Monaten und nun durch die Entscheidung, ihn zu verbannen oder zu töten, schmälern Arafats Macht nicht.

Arafat ist für die Mehrheit der palästinensischen Bevölkerung ein Symbol für den Kampf gegen die israelische Besatzung. Dass Arafat sich bis heute in Kampfuniform kleidet, während seine Minister längst zu Anzug und Schlips gewechselt sind, macht ihn für seine Fans vertrauenswürdig:

Die olivgrüne Uniform symbolisiert den Kampf gegen Israel.

Der palästinensische Ministerpräsident Machmud Abbas, der am vergangenen Wochenende zurückgetreten ist, war auch deshalb sehr unpopulär, weil er als Akademiker verschrien war, der dem wahren Leben in den verarmenden Palästinensergebieten entfremdet war.

Großer Spieler

Arafat aber stilisiert sich erfolgreich als unter der Isolierung Leidender und genießt zudem den Ruf, bescheiden und nicht korrupt zu sein.

Die ungebrochene Macht Arafats beruht auch auf einem seit Jahrzehnten bewährten Führungsstil: Er weiß ihm untergebene Autoritäten immer wieder gegeneinander auszuspielen.

Neben sich duldet Arafat keine weitere Autorität. Zwar hat er letztlich der von den USA und Israel verlangten Einführung eines Ministerpräsidentenamtes zugestimmt - aber er hat Abbas mit nur wenigen Kompetenzen ausgestattet.

Auch dessen designierter Nachfolger Achmed Kurei wird letztlich ein Ministerpräsident von Arafats Gnaden sein.

Die Hoheit über die Sicherheitskräfte wird der Palästinenserpräsident mittels dem von ihm geschaffenen "Nationalen Sicherheitsrat" behalten. Überhaupt entscheidet Arafat über alles per Telefon und schriftliche Direktiven.

Bürgermeister werden von Arafat ernannt (und gefeuert), aber auch Angestellte für den Fuhrpark. Auch Lohnlisten der Autonomiebehörde zeichnet Arafat persönlich ab.

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