Arabische Medien:Schlechte Noten für die Pressefreiheit

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Viele arabische Reporter und Kommentatoren müssen sich selber zensieren, um beruflich - und manchmal auch physisch - am Leben zu bleiben.

Von Rudolph Chimelli

Wir haben die Freiheit der Meinungsäußerung. Aber haben wir Freiheit nach der Meinungsäußerung?

Diese sarkastische Frage birgt für Journalisten in arabischen Ländern die bittere Wahrheit: Reporter und Kommentatoren müssen sich zunächst selber zensieren, um beruflich - und manchmal auch physisch - am Leben zu bleiben.

Von offizieller Zensur bis hin zum blanken Terror

Was sie schreiben dürfen und was nicht, haben sie verinnerlicht, denn die Regime verfügen von offizieller Zensur, Strafverfolgung und persönlichen Schikanen bis hin zum blanken Terror über viele Möglichkeiten, um die Medien bei der Stange zu halten.

Die in Paris beheimatete Organisation "Reporter ohne Grenzen" gibt der Arabischen Welt sehr schlechte Noten.

In ihrem Jahresbericht für 2003 bezeichnet sie Nordafrika und den Nahen Osten als "die Region mit der geringsten Pressefreiheit".

Der Krieg im Irak habe maßgeblich dazu beigetragen, den Druck auf die Medien zu verstärken. "Aus Sorge um ihr Image und angesichts einer öffentlichen Meinung, die den Krieg überwiegend ablehnte, haben die Regime die Kontrolle über die Presse verschärft."

Im Verlauf des Jahres kamen 15 Journalisten und Helfer ums Leben, zwölf davon im Irak. Die Pariser Organisation stellte eine Rangliste auf, die sich auf eine Umfrage bei Journalisten, Juristen und Menschenrechtsaktivisten in 166 Ländern stützt.

Als relativ freiestes arabisches Land kam Kuweit auf den schlechten 102. Platz, weit hinter großen Teilen Schwarzafrikas, Asiens und Lateinamerikas. Es folgen kurz dahinter Libanon, Algerien und Ägypten. Ganz am Schluss der Skala rangieren Saudi-Arabien, Syrien und Libyen. Nur autoritäre Staaten wie Turkmenistan, China, Nordkorea oder Iran stehen schlechter da.

Ende einer Zeitung

In London führt das unabhängige Institut "Arab Press Freedom Watch" Buch über Verletzungen der Pressefreiheit. Die letzte Eintragung betrifft die algerische Tageszeitung Le Matin, die seit dem Wochenende nicht mehr erscheint. Das staatliche Druckhaus hatte eine Rechnung über umgerechnet rund 500.000 Euro präsentiert, Ratenzahlung abgelehnt und keine neuen Aufträge mehr ausgeführt.

Bereits im Juni war der Chefredakteur, Mohamed Benchicou, zu zwei Jahren Gefängnis, angeblich wegen unzulässiger Devisengeschäfte, verurteilt worden. Das Redaktionsgebäude musste zu einem Schleuderpreis verkauft werden. Le Matin gehörte zu den wichtigsten Zeitungen Algeriens.

Allein für die letzten Wochen verzeichnet die Londoner Schadensliste eine Reihe solcher Fälle. So wurde in der algerischen Stadt Oran der Herausgeber der Mediengruppe Ar-Rai-al-Aam, Ahmed Benaoum, vor Gericht gestellt.

Gefängnis für kritische Journalisten

Seine drei Zeitungen sind bereits seit einem Jahr suspendiert, unter anderem wegen angeblicher Verleumdung des Gesundheitsministers. Zwei algerische Journalisten wurden verhaftet oder abgeurteilt - einer wegen Verleumdung des Verteidigungsministers, der andere wegen der Recherchen über das Gesundheitswesen.

In Kairo hatte die Wochenzeitung Al-Usbua (Die Woche) den stellvertretenden Ministerpräsidenten Jussef Wali der Falschaussage in einem Bestechungsprozess bezichtigt.

Ein Gericht brummte dem Verfasser Ahmed Issedin zwei Jahre Gefängnis auf. Fünftausend Kilometer weiter westlich, in Rabat, erscheint das Blatt Achbar al-Usbua (Nachrichten der Woche). Auch ihr Herausgeber erhielt sechs Monate ohne Bewährung - auch er wegen Verleumdung.

Zwei große arabische Zeitungen, Al-Schark al-Aussat und Al-Hayat, erscheinen in London, wo sie sich mehr Freiheiten erlauben können. Aber beide sind in saudischem Besitz und können nicht die Hand beißen, die sie füttert. Ähnliches gilt für die Fernsehsender Al-Dschasira in Katar und Al-Arabija in Dubai. Sie sind kritisch nach außen, aber lammfromm daheim.

© SZ vom 28.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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