Arabische Liga:Gipfeltreffen in Tunis überraschend abgesagt

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Im Vorfeld der Konferenz zerstritten sich die Außenminister der 22 Staaten über einen US-Vorschlag für demokratische Reformen in der Region und über Pläne zur Lösung des Nahost-Konflikts. Ein Konsens zu den Themen Menschenrechte, Demokratie und Gewaltverzicht konnte nicht erreicht werden.

Rudolph Chimelli

Wegen scharfer Differenzen zwischen den arabischen Staaten ist das für den heutigen Montag geplante Gipfeltreffen der Arabischen Liga in Tunis abgesagt worden. Einige Delegationen reagierten schockiert auf die Absage. Der Generalsekretär der Liga, Amr Mussa, sagte, die Verschiebung werde gefährliche Folgen haben.

Zum Scheitern des Treffens heißt es in einer tunesischen Erklärung, es habe sich "eine Vielfalt von Positionen zu grundlegenden Problemen der Modernisierung, demokratischer Reform, Menschen- und Frauenrechten sowie die Rolle der Zivilgesellschaft ergeben".

Ein Regierungssprecher erklärte, mehrere Minister hätten sich geweigert, Begriffe wie "Demokratie, Parlament und Zivilgesellschaft" in eine gemeinsame Erklärung aufzunehmen. Die offizielle Nachrichtenagentur TAP betonte, Tunesien habe sich bemüht, die arabischen Staaten auf "Toleranz, Eintracht, Dialog zwischen Zivilisationen und eine völlige Absage an Extremismus, Fanatismus, Gewalt und Terrorismus" festzulegen.

Einige Staaten hätten jedoch darauf bestanden, diese für die Entwicklung der arabischen Gesellschaften entscheidenden Fragen "an den Rand zu schieben".

"Israel ist kein Partner"

Amr Mussa, der Generalsekretär der Liga, bedauerte die Absage des Treffens. Die Arabische Liga sei nun in ihrer Handlungsfähigkeit bedroht. "Die Entscheidung zur Verschiebung des Gipfels wird gefährliche Folgen für das gemeinsame Handeln der Araber haben", hieß es in seiner Erklärung.

Die Absage wurde von einigen Staaten befürwortet, traf die meisten Delegationen jedoch überraschend. "Wir sind alle völlig schockiert", sagte eine ägyptische Mitarbeiterin der Liga. Syriens Außenminister Faruk al-Scharaa bemerkte, Präsident Baschir al-Assad sei bereits auf der Anreise gewesen. Einige Staatsoberhäupter aus der Golfregion hatten dagegen ihre Teilnahme zuvor bereits abgesagt.

Im Vorfeld des Treffens hatte der ägyptische Präsident Hosni Mubarak im Gespräch mit der italienischen Zeitung La Repubblica gesagt: "Wir sollten eine Art von Reform betreiben, die nicht die Stabilität untergräbt, keine solche, die es den Radikalen und Fundamentalisten erlauben würde, die Reform auf ihre Ziele zu lenken." Mubaraks Sohn Gamal erläuterte die Haltung seines Landes mit den Worten, Reform könne es nicht geben, so lange der Nahost-Konflikt nicht gelöst sei.

Vom saudischen Verteidigungsminister Prinz Sultan wurde die Äußerung übermittelt, das Königreich sei nicht reif für ein gewähltes Parlament. "Die Wähler könnten für Leute stimmen, die nicht lesen und schreiben können."

Seine Absicht, auf der Konferenz seinen Friedensplan mit Israel wieder zu beleben, hatte der saudische Kronprinz Abdallah schon vorher fallen lassen. Der Plan sah vor, dass alle arabischen Staaten Israel nach der Räumung der besetzten Gebiete in den Grenzen von 1967 anerkennen sollten. Nach der Ermordung des Hamas-Führers Scheich Achmed Jassin durch Israel fühlen sich jedoch die arabischen Regierungen starker Kritik ausgesetzt, sie täten zu wenig für die Palästinenser.

"Was wir brauchen, ist ein Partner", beschrieb Mussa die Lage. "Aber sicher ist, dass die israelische Regierung kein Partner ist." Auch er fand, angesichts der Spannungen im Nahen Osten seien Reformen nicht die Lösung.

Ägypten, Jordanien, Jemen, Katar und Tunesien hatten für die Konferenz eigene Entwürfe zum Thema Reform vorbereitet. Algerien und Katar plädierten dafür, die Vorschläge aus Washington nicht von vornherein zu verwerfen. Mussa berichtete, es habe "erhitzte Diskussionen" gegeben, aber er habe einen Konsens erwartet.

Der Außenminister von Kuweit, Scheich Mohammed Sabah al-Salem al-Sabah schätzte die Streitpunkte als "so ernsthaft" ein, dass es nicht möglich gewesen sei, in aller Eile ein unterschriftsreifes Dokument für die Staatschefs fertig zu stellen. Eine Reihe der arabischen Staatschefs zeigte sich darüber verschnupft, dass der US-Plan für einen Größeren Mittleren Osten in die Medien gesickert sei, bevor Washington sie unterrichtete. Auch dies trug zur gereizten Atmosphäre in Tunis bei.

© SZ vom 29.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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