Appell der Gesundheitsministerin verhallt:Kassen widersetzen sich Ulla Schmidt

Lesezeit: 2 min

Im vergangenen Jahr haben die gesetzlichen Versicherer einen Überschuss von vier Milliarden erwirtschaftet. Die Versicherten haben davon erstmal nichts. Denn die Krankenkassen wollen frühestens im Mai ihre Beiträge senken.

Von Andreas Hoffmann

Berlin - Nach dem Milliardenüberschuss der gesetzlichen Kassen hat Sozialmininisterin Ulla Schmidt (SPD) gefordert die Beiträge deutlich zu senken. Die Kassen seien in der Pflicht und sollten Entlastungen nicht auf die lange Bank schieben.

Trotz vier Milliarden Überschuss wollen die Kassen ihre Beiträge erst im Mai senken. Widerspruch von Gesundheitsministerin Schmidt scheint zwecklos. (Foto: Foto: dpa)

Dagegen zögern viele Gesetzliche und verweisen auf die ungewisse wirtschaftliche Entwicklung sowie steigende Kosten für Arzneien in diesem Jahr. Zuvor hatte Schmidt die Finanzergebnisse der gesetzlichen Krankenversicherung vorgestellt. Danach erzielte sie als Folge der Gesundheitsreform einen Überschuss von 4,022 Milliarden Euro im Jahr 2004.

Unbegründete Skepsis

Der hohe Milliardenüberschuss hatte sich schon länger angedeutet. Dennoch war es zuletzt überraschend, dass die Kassen ein Plus von 4,022 Milliarden Euro im Jahr 2004 erwirtschafteten. Eine solche Summe hatten Ministeriumsbeamte aus dem Hause Schmidt bereits Ende Dezember angedeutet, doch dies war auf Skepsis gestoßen.

Sie verwiesen darauf, dass die Folgen der Gesundheitsreform sich abschwächen würden. Dazu könnten Anfang Januar weiter die Kosten steigen. Ende 2003 verzeichnete die gesetzliche Krankenversicherung noch ein Defizit von 3,5 Milliarden Euro.

142,2 Milliarden Einnahmen

Für den hohen Überschuss gibt es verschiedene Gründe. So sind die Ausgaben für ärztliche und zahnärztliche Behandlungen kräftig zurückgegangen, für Medikamente, Fahrten, Hilfsmittel wie Krücken, und Krankengeld zahlen die Kassen weniger.

Dafür müssen die Bürger selbst mehr beisteuern, etwa durch die Praxisgebühr, stärkere Zuzahlungen für Arzneien und höhere Überweisungen von Betriebsrentnern. Auch die Rabatte der Pharmaindustrie hätten gewirkt, teilte Schmidt mit.

Die Verwaltungsausgaben der Kassen dagegen blieben konstant, dafür stiegen die Einnahmen. Besonders im letzten Quartal 2004 nahmen sie stärker zu als erwartet, hieß es bei den Kassen. Offenbar hatten die Firmen die Weihnachtsgelder nicht so stark gekürzt wie befürchtet. Insgesamt lagen die Einnahmen der gesetzlichen Kassen bei 142,2 Milliarden Euro.

Appell aus der Politik

Angesichts der hohen Überschüsse verlangte Schmidt erneut, dass die Kassen die Beiträge stärker reduzieren. "Die Versicherten haben einen Anspruch darauf.", sagte sie. Die Kassen müssten die Spielräume nutzen und verwies darauf, dass die Kassen die Sätze um durchschnittlich 0,2 Prozentpunkte senken könnten.

Ähnlich argumentierte auch Kanzler Gerhard Schröder und sagte: "Das schafft die Chance, die Lohnnebenkosten zu senken, was eine Wettbewerbsverbesserung für die Unternehmen bedeutet."

Dagegen reagierten die Kassen zögerlich auf den Appell aus der Politik, wie eine Umfrage der Süddeutschen Zeitung zeigte. Die meisten Kassen verwiesen darauf, dass sie das Frühjahr abwarten wollten.

Mehrbelastung

Erst dann zeige sich, wie sich neue Lasten etwa bei Arzneimitteln auswirken würden. Zum Juli müssen die Kassen ohnehin den Beitrag um 0,9 Prozentpunkte senken, weil die Bürger dann für Krankengeld und Zahnersatz einen Sonderbeitrag zahlen.

Unter dem Strich ist das aber eine Mehrbelastung um 0,45 Prozentpunkten. Ursprünglich wollte Schmidt mit der Reform den durchschnittlichen Kassenbeitrag von 14,3 auf 13,6 Prozent des Bruttoeinkommens senken.

Tatsächlich liegt der Satz nun bei 14,2 Prozent. Schmidt begründet dies damit, dass die Schulden der Kassen mit 8,4 Milliarden Euro höher waren als ursprünglich angenommen. Auch die Konjunktur habe sich schlechter entwickelt, als die Parteien bei den Beratungen zur Gesundheitreform angenommen hatten. Die Union bezweifelt dies.

"Verkrustung des Systems"

Der Milliardenüberschuss der gesetzlichen Kassen wurde unterschiedlich bewertet. So fühlte sich der frühere Gesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) bestätigt.

"Wir brauchen keinen Systemwechsel in der Krankenversicherung", sagte er der SZ. Wichtiger als eine Kopfpauschale einzuführen, sagte er mit Blick auf Pläne von CDU/CSU, sei es die "Verkrustungen des Systems" aufzubrechen. Dies sei bei der letzten Reform gescheitert, auch wegen der Union, sagte er.

Dagegen sahen die CDU-Sozialexperten, Annette Widmann-Mauz und Andreas Storm, "keinen Grund zur Euphorie". So seien die Beiträge nicht so stark gesunken wie ursprünglich angekündigt. Der Klinikärzte-Verband Marburger Bund verwies darauf, dass die Einsparungen fast ausschließlich den "Patienten abgepresst" worden seien.

© SZ vom 03.03.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: