Antidiskriminierung:In der Theorie gut

Der allermeisten Deutschen haben kein Problem mit Homosexualität - es sei denn, die eigene Familie ist betroffen.

Von Jan Heidtmann

Man kann als aufgeklärter Mensch ganz schön froh sein, in diesem Land zu leben. Das zeigen auch die Umfrageergebnisse zur Haltung gegenüber Schwulen, Lesben und Bisexuellen. Der allergrößte Teil der Deutschen meint, homosexuelle Paare müssten dieselben Rechte haben wie heterosexuelle. Und es sei richtig, dass Homosexuelle gesetzlich vor Diskriminierung geschützt sind. Das ist gut zu hören, gerade in Zeiten des Rechtspopulismus. Nur, es scheint vor allem Theorie zu sein.

Nach der Praxis befragt, urteilen die Deutschen jedenfalls sehr anders. Zum Beispiel bei der Frage, ob es sie störe, ein küssendes Männerpaar zu sehen. Oder, wie sie es fänden, wenn das eigene Kind lesbisch oder schwul wäre. 40 Prozent der Deutschen wäre das unangenehm. Diese Kluft zwischen allgemeiner Betrachtung und eigenem Erleben ist in ethischen Fragen regelmäßig zu beobachten. So sind die Deutschen nach wie vor mehrheitlich dafür, Flüchtlinge aufzunehmen. Anders sieht das Bild oft aus, wenn es darum geht, sich für Flüchtlinge zu engagieren.

Aber ist das tatsächlich ein Problem? Muss einer beim Christopher Street Day mitfahren, um gegen Diskriminierung zu sein? Muss einer derselben Auffassung sein, um für die Meinungsfreiheit des anderen einzutreten? Entscheidend ist, dass man das Andere zulässt und es im Zweifelsfall auch verteidigt. Der Rest ist Privatsache.

© SZ vom 13.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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