Anschlag:Rassistisch motiviert

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Ein Deutscher hat in Hessen einen Eritreer niedergeschossen - und anschließend sich selbst getötet. In seiner Wohnung fand die Polizei ein Waffenarsenal.

Von Susanne Höll, Frankfurt

Ein Rettungswagen steht an dem Ort, an dem der mutmaßliche Schütze tot aufgefunden wurde. (Foto: Moritz Pappert/AFP)

In Hessen hat es nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke eine weitere mutmaßlich rassistisch und rechtsextrem motivierte Gewalttat gegeben. Ein 55 Jahre alter Deutscher hatte am Montagmittag im südhessischen Wächtersbach auf einen aus Eritrea stammenden jungen Mann geschossen und ihn dabei schwer verletzt. Der mutmaßliche Schütze wurde später nicht weit vom Tatort leblos in seinem Auto gefunden. Nach Erkenntnissen der Ermittler hatte er sich selbst in den Kopf geschossen und vorher noch einen Abschiedsbrief geschrieben.

In der Wohnung des Mannes entdeckte die Polizei neben dem Abschiedsbrief fünf von sechs Waffen, die er insgesamt besessen haben soll - darunter auch halb automatische und großkalibrige Modelle. Gefunden wurden nach Angaben aus Sicherheitskreisen auch Gegenstände mit Motiven aus der rechten Szene; Ermittler sprachen von "Devotionalien", die Sympathien zur Gedankenwelt der Neonazis nahelegten. Ob der Mann auch Verbindungen zu rechtsextremen Gruppen hatte oder dort Mitglied war, ist allerdings offen. Bislang gebe es darauf keine Hinweise, hieß es. Da der Verdacht auf ein rassistisches Motiv besteht, leiten die hessische Generalstaatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt in Wiesbaden die Untersuchungen.

Hinweise auf Mittäter gebe es bislang nicht. Man gehe zur Zeit von der Aktion eines fanatisierten Einzeltäters aus. Angesichts des Waffendepots äußerten sich Ermittler erleichtert, dass der mutmaßliche Schütze nicht noch weitere Menschen angriff. Der Mann soll Mitglied eines Schützenvereins gewesen sei und die Waffen legal erworben haben. Der 26 Jahre alte Eritreer wurde wegen seiner dunklen Hautfarbe Opfer der Attacke. "Er war zur falschen Zeit am falschen Ort", sagte ein Sprecher der hessischen Generalstaatsanwaltschaft. Der junge Mann wurde durch mehrere Schüsse verletzt und in einem Krankenhaus notoperiert. Welche Informationen der mutmaßliche Täter in seinem Abschiedsbrief hinterlassen hatte, wollten die Ermittlungsbehörden mit Verweis auf die Persönlichkeitsrechte Verstorbener nicht mitteilen. Aus dem Schreiben gehe aber klar hervor, dass er sein Leben beenden wollte, hieß es.

In Wächtersbach demonstrierten am Dienstagabend etwa 400 Menschen bei einer Mahnwache gegen Rassismus. "Hier wurde ein weiteres Mal, sieben Wochen nach dem Mord an Walter Lübcke, aus Gedanken eine Tat, die uns erschüttert", sagte der Bürgermeister Andreas Weiher (SPD). Das Motiv müsse man sehr ernst nehmen. Die Gewalt sei eine "neue Qualität von gelebtem Rassismus".

Am 2. Juni war im nordhessischen Wolfhagen-Istha der CDU-Politiker Lübcke mit einem Kopfschuss getötet worden. Inzwischen sitzt der 45 Jahre alte Stefan E. in Untersuchungshaft, der vor Jahren enge Kontakte in die rechtsextreme Szene pflegte. Er hatte den Mord zunächst eingeräumt, sein Geständnis dann aber widerrufen.

Die Linke im Hessischen Landtag forderte die Sicherheitsbehörden auf, schnell zu klären, ob womöglich Neonazi-Netzwerke für die beiden jüngsten Gewalttaten mitverantwortlich sind. Die Fraktionsvorsitzende Janine Wissler erinnerte daran, dass die Schüsse auf den Eritreer am 22. Juli gefallen seien - dem Jahrestag der rechtsextremen Attentate im norwegischen Oslo und auf Utøya sowie des Amoklaufs eines Schülers in München. 2011 hatte der Attentäter Anders Behring Breivik in Norwegen 77 Menschen getötet, in München gab es 2016 neun Todesopfer. "Es darf nicht zugelassen werden, dass der 22. Juli zu einem Symboltag wird, an dem Rechtsterroristen Gewalttaten verüben", erklärte Wissler am Dienstag.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir fälschlicherweise von sieben Opfern des Amoklaufs in München 2016 geschrieben. Der Täter erschoss jedoch neun Menschen und tötete sich später selbst.

© SZ vom 24.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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