Anschläge in London:Polizeichef Blair: "Wettlauf gegen die Zeit"

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Noch immer gibt es keine heiße Spur von den "Rucksackbombern". Nun wird befürchtet, dass sie erneut zuschlagen. Trotz der Erschießung eines Unschuldigen unterstützen 71 Prozent der Briten die "Todesschuss"-Strategie gegenüber mutmaßlichen Selbstmordattentätern.

Die Polizei habe große Sorge, dass die verhinderten Selbstmordattentäter vom vergangenen Donnerstag erneut zuschlagen könnten.

Deshalb herrsche höchste Alarmbereitschaft, berichteten die Times, das BBC-Fernsehen und andere britische Medien.

Der Scotland- Yard-Chef Sir Ian Blair sprach von einem "Wettlauf gegen die Zeit". Gesundheitsministerin Patricia Hewitt sagte, die Briten lebten nun in einem "permanenten Terrorzustand".

Die Polizei hält es für möglich, dass am Donnerstag insgesamt fünf Selbstmordattentäter U-Bahnen und Busse explodieren lassen wollten. In einem Gebüsch in einem Londoner Park fand die Polizei eine fünfte Bombe, deren Sprengstoff nach Medieninformationen mit dem der vier anderen Bomben übereinstimmt.

Möglicherweise habe ein fünfter Terrorist ebenfalls einen Anschlag geplant, dann aber nicht ausgeführt, berichteten die Medien. Die Polizei glaube nicht, dass die Terroristen das Land verlassen hätten.

Unter Berufung auf Polizeiquellen wurde auch berichtet, Scotland Yard sei enttäuscht darüber, drei Tage nach der Veröffentlichung von vier Fahndungsfotos immer noch keinen der Täter gefasst zu haben.

Demoralisierend wirke sich die Erschießung des 27-jährigen Brasilianers Jean Charles de Menezes aus, den Polizisten irrtümlich für einen Selbstmordattentäter gehalten hatten.

Seine Familie will die Polizei nun verklagen. Inzwischen wurde bekannt, dass das britische Visum von Menezes abgelaufen war. Das erklärt möglicherweise, warum er vor der Polizei davongelaufen war.

Briten sehen Zusammenhang mit dem Irak-Krieg

Nach einer von der Zeitung Daily Mirror und dem Fernsehsender ITV veröffentlichten Umfrage sind inzwischen 85 Prozent der Briten davon überzeugt, dass die Anschläge mit der Beteiligung ihres Landes am US-geführten Einsatz im Irak zu tun haben.

Nach den ersten Anschlägen am 7. Juli mit 56 Toten hatten nur 64 Prozent der Briten einen Zusammenhang mit dem Irak-Krieg gesehen.

23 Prozent der Befragten sehen laut der neuen Umfrage in dem Krieg die Hauptursache für die Anschläge auf Londoner U-Bahnen und Busse am 7. und 21. Juli; nach Ansicht von 62 Prozent hat die Entscheidung von Premierminister Tony Blair, sich am Krieg zu beteiligen, zumindest zu den Anschlägen beigetragen.

Nur noch zwölf Prozent der Briten teilen hingegen Blairs Auffassung, die Attentate hätten mit der Krise im Irak nichts zu tun.

Trotz der tödlichen Schüsse auf einen Unschuldigen im Rahmen der Fahndung nach den Attentätern des 21. Juli unterstützen 71 Prozent der Befragten die neue "Todesschuss"-Strategie der Polizei gegenüber mutmaßlichen Selbstmordattentätern.

Führende muslimische Geistliche verurteilten die Anschläge bei einer internationalen Konferenz in London. Auch der umstrittene Professor Tariq Ramadan aus Genf sagte: "Wir dürfen nicht vergessen, dass das Töten von Unschuldigen niemals gerechtfertigt ist."

Der ehemalige Premierminister John Major forderte die konsequente Abschiebung von Hasspredigern.

In den britischen Medien gab es viele weitere Spekulationen zu den Tätern. So berichtete ein BBC-Reporter, möglicherweise hätten einige inzwischen Selbstmord begangen. Nach Informationen der "Times" stammen die Täter aus Ostafrika und sind möglicherweise bei Komplizen untergetaucht. Die Polizei lehnte dazu jeden Kommentar ab.

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