Angeblicher Stimmenkauf:Schwere Vorwürfe gegen Roland Koch

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Die Freien Wähler wollen bei der Landtagswahl 2008 erstmals in Hessen antreten. Nun beschuldigen sie die CDU: Die allein regierende Partei soll den Unabhängigen staatliche Zuschüsse angeboten haben, um die Kandidatur zu verhindern. Die Initiative kam angeblich "vom Vorsitzenden".

Christoph Hickmann

Die Freie Wählergemeinschaft (FWG) in Hessen erhebt schwere Vorwürfe gegen Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Koch soll demnach versucht haben, die FWG mit dem Versprechen staatlicher Zuschüsse von einer Kandidatur bei der Landtagswahl abzuhalten.

Nach Angaben des FWG-Landesvorsitzenden Thomas Braun hatten Koch und andere hessische CDU-Spitzenvertreter ihm eine Gesetzesänderung in Aussicht gestellt, nach der die FWG künftig Geld für ihre Stimmen bei Kommunalwahlen bekommen sollte. Voraussetzung sei gewesen, dass die FWG anders als geplant nicht bei der Landtagswahl 2008 antrete. Nachdem die FWG abgelehnt habe, sei der Gesetzentwurf "kein Thema" mehr gewesen.

CDU: "Groteske Vorwürfe"

Der hessische CDU-Generalsekretär Michael Boddenberg bezeichnete die Vorwürfe am Montag als "grotesk" und "haltlos". Zwar gebe es einen Gesetzentwurf, doch habe die CDU ihn nie mit Bedingungen verknüpft. Die FWG hatte am Wochenende beschlossen, erstmals seit 1978 an einer Landtagswahl teilzunehmen. "Wir lassen uns nicht kaufen", sagte Braun.

An dem Treffen in der CDU-Landesgeschäftsstelle nahmen in der ersten Aprilwoche nach übereinstimmenden Angaben von CDU und FWG neben Koch Kultusministerin Karin Wolff, Innenminister Volker Bouffier und Generalsekretär Boddenberg teil.

"Aufgrund unseres sehr guten kommunalen Wahlergebnisses im März fragte man uns dort, was man uns denn Gutes tun könne, um uns von einem Antreten bei der Landtagswahl abzuhalten", sagte Braun der Süddeutschen Zeitung. Die Initiative sei "vom Vorsitzenden", also Koch, ausgegangen. Bei der Kommunalwahl waren die Freien Wähler auf 5,2 Prozent gekommen.

"Wenige Wochen" nach diesem Treffen habe Bouffier ihm den in seinem Ministerium ausgearbeiteten Gesetzentwurf zukommen lassen. Nach dem der SZ vorliegenden Entwurf zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes sollten "Wählergruppen, die sich mit einem Wahlvorschlag an der Wahl der Gemeindevertretung" beteiligten und mindestens drei Prozent der Stimmen erhielten, pro gewichteter Stimme einen Euro erhalten. Die Neuregelung solle "bereits für die am 26. März stattfindende Kommunalwahl anwendbar sein", womit die FWG rückwirkend belohnt worden wäre.

Andere Version

Boddenberg stellte die Vorgänge anders dar: Träten die Freien Wähler bei der Landtagswahl an, sei der Entwurf "obsolet". Dann sei die FWG eine "mehr oder weniger ganz konventionelle Partei", die keiner gesonderten Förderung auf kommunaler Ebene bedürfe, sondern an der regulären Parteienfinanzierung teilhabe. Die FWG fordert seit langem, für ihr kommunales Engagement an der staatlichen Finanzierung beteiligt zu werden.

Offen blieb die Frage, warum im Fall des Antretens der ganze Gesetzentwurf überflüssig sein sollte, denn neben der FWG gibt es weitere unabhängige Wählergruppen in Hessen; einige werden weiter ausschließlich auf kommunaler Ebene aktiv sein. Auf diesen Punkt verwies der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Tarek al-Wazir. "Für diese Wählergemeinschaften würde sich aufgrund der Teilnahme des Landtagswahlvereins nichts ändern", sagte er.

Al-Wazir betonte, dass es "in der letzten Vergangenheit" keine Kontakte zwischen FWG und Grünen gegeben habe. Hingegen haben offenbar sowohl SPD als auch FDP mit den Freien Wählern gesprochen. Nach Angaben von CDU und FWG sei es darum gegangen, eine möglichst breite Mehrheit für das Gesetz zu erreichen. Die Grünen wären somit als einzige Partei im Landtag nicht beteiligt worden. Sie wandten sich am Montag mit einem Fragenkatalog an Koch. Sollte dieser ihn nicht bis Mittwoch beantwortet haben, hieß es, werde man "gegebenenfalls weitere Aufklärungsschritte einleiten".

© SZ vom 7.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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