Amtseinführung:Der Tastende

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Von Dresden nach Berlin: Erzbischof Heiner Koch. (Foto: Michael Kappeler/dpa)

Heiner Koch, der neue Berliner Erzbischof, gilt in der Kirche als Vermittler. Er wechselt aus dem katholischen Niemandsland Dresden in die anspruchsvolle Hauptstadt.

Von Matthias Drobinski

Wenn Heiner Koch redet, kann man beobachten, wie er sich unterm Reden an Mensch und Thema herantastet. Er spricht dann viel, als müsse er unterm Reden mit sich selbst ins Reine kommen, als wolle er zeigen: Seht her, ich habe auch keine schnellen Antworten und fertigen Sätze. Heiner Koch, der an diesem Samstag als neuer Erzbischof von Berlin eingeführt wird, wirkt überhaupt nicht wie ein Kirchenfürst; mit seinem weißen, zum Ungehorsam neigenden Haarschopf könnte der 61-Jährige auch ein gütiger wie prinzipienfester Gymnasialdirektor sein. Doch nun ist er einer der wichtigsten Repräsentanten der katholischen Kirche, der Hauptstadtbischof. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist er bald Kardinal.

Als im Juni der Vatikan die Entscheidung bekannt gab, hieß es öfters, der neue Berliner Erzbischof sei vor allem ein schöner Kompromiss: beruhigend für die Konservativen in Rom und Deutschland, weil im Bistum des Kölner Kardinals Joachim Meisner groß geworden. Und beruhigend für den heimlichen Hauptstadtbischof Reinhard Marx, den Münchner Kardinal und Bischofskonferenzvorsitzenden: Koch würde ihm die Rolle als oberster Politiker des katholischen Deutschlands nicht streitig machen.

Doch sollte man Koch nicht unterschätzen; der Mann hat einige Entwicklungen hinter sich. Aufgewachsen ist er mit einem typischen rheinisch-katholischen Lebenslauf: Ministranten- und Jugendgruppenleiter, Theologiestudium, Priesterweihe, Jugendseelsorge, Bundespräses der Schützenbruderschaften - einer, der auch in Kneipen über Gott und die Welt reden kann. Als Generalsekretär organisierte er 2005 den Weltjugendtag mit Papst Benedikt XVI. und schaffte es, dass eine Million junge Katholiken feierten und beteten, ohne dass es Streit gab zwischen den eher kritischen und den sehr papstnahen Gruppen. Die Anerkennung dafür kam bald: Papst Benedikt ernannte ihn zum Kölner Weihbischof.

So weit, so vorhersehbar. Doch dann machte dieser Papst ihn im Januar 2013 zum Bischof von Dresden. Und Koch ging ins katholische Niemandsland, wo keine fünf Prozent der Bevölkerung Katholiken sind. Er tastete sich ans Bistum und an die Menschen heran, wie das seine Art ist. Er sprach mit den Katholiken, die in der DDR diskriminiert waren, er redete mit den Leuten von der Linkspartei. Als die Pegida-Demonstranten mehr und mehr wurden, suchte er den Kontakt mit den Organisatoren - und brach ihn enttäuscht ab, als die Demonstranten Weihnachtslieder gegen Muslime und Flüchtlinge sangen: Wer derart das Christentum missbrauche, könne kein Gesprächspartner sein, sagte er. Abends standen Pegida-Sympathisanten vor seiner Tür und beschimpften ihn. Der Mann aus dem kölschen Mehrheitskatholizismus erwarb sich Respekt. Als er dieses Jahr im Mai in Leipzig die neue Propsteikirche einweihte, die größte neu gebaute katholische Kirche im Osten, da war der Platz davor übervoll mit Menschen - eine kleine Blüte für eine kleine Kirche.

Für das Bistum Dresden-Meißen ist Kochs Weggang nach nur gut zwei Jahren ein schwerer Schlag - und für viele das Zeichen einer schlechten Personalpolitik im Vatikan. Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige nannte die Ernennung gar "fragwürdig": wieder verliere ein Ost-Bistum nach kurzer Zeit einen Bischof. Koch hat gesagt, es sei ihm nicht leicht gefallen, dem Wunsch des Papstes zu entsprechen. Am Ende hat er es dann aber doch getan.

Zwei schwierige Aufgaben warten nun auf den neuen Berliner Erzbischof. Zwei Wochen nach der Amtseinführung wird er, der in der Bischofskonferenz für das Thema Ehe und Familie zuständig ist, an der Bischofssynode in Rom teilnehmen. Er gilt als weniger auf Reformen dringend als seine Mitreisenden, Bischof Bode aus Osnabrück und Kardinal Marx. Aber vielleicht macht gerade dies samt seiner suchenden Art ihn zu einem wichtigen Vermittler. Und wenn er dann wieder nach Hause kommt, kann er gleich weitervermitteln: Berlins Katholiken streiten erbittert um die Neugestaltung der Hedwigskathedrale. Seit dem letzten Umbau im Jahr 1955 verbindet ein Loch vorm Altar die Unter- mit der Oberkirche. Kochs Vorgänger, Kardinal Rainer Maria Woelki, gefiel das gar nicht, und so gibt es nun einen Entwurf, der dem Loch ein Ende machen würde. Das wiederum empört gerade Katholiken aus dem Osten Berlins - der Neue soll sich für den Erhalt der vertrauten Öffnung einsetzen, fordern sie vehement.

Er wolle jetzt erst einmal alle Seiten hören, hat Heiner Koch gesagt.

© SZ vom 19.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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