Amerikanische Irak-Politik:Britisches Militär rechnet mit Rumsfeld ab

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Ehemalige Generäle der britischen Armee üben ungewöhnlich heftige Kritik an der amerikanischen Irak-Politik. Der Vorwurf: US-Verteidigungsminister Rumsfeld habe Warnungen vor Kriegsbeginn ignoriert und verhängnisvolle Fehler begangen.

Wolfgang Koydl, London

Zwei Wochen vor den entscheidenden Anhörungen im US-Senat zum weiteren Vorgehen im Irak haben britische Ex-Generäle ungewöhnlich scharfe Kritik an Washington geäußert. Die US-Strategie im Irak sei "intellektuell bankrott" und "mit verhängnisvollen Fehlern behaftet".

Generalmajor Tim Cross, der im Nachkriegs-Irak auf britischer Seite für den Wiederaufbau zuständig war, sagte dem Sunday Mirror, er habe dem früheren US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld seine Bedenken über das Vorgehen im Irak vorgetragen. Diese seien jedoch "beiseite gewischt'' oder "ignoriert" worden. "Von Anfang an waren wir besorgt angesichts der mangelhaften Detailplanung für die Nachkriegszeit."

Vorwürfe gegen Rumsfeld

Ausdrücklich habe er Rumsfeld auf die Notwendigkeit hingewiesen, beim Wiederaufbau eng mit den Vereinten Nationen zusammenzuarbeiten. Zuvor hatte der ehemalige Armeechef Mike Jackson, der zum Zeitpunkt der Invasion die britische Armee kommandierte, Rumsfelds Politik als "intellektuell bankrott'' bezeichnet.

"Er gehört zu jenen, die mit am meisten für die gegenwärtige Lage verantwortlich sind", hieß es in am Samstag vom Daily Telegraph veröffentlichten Auszügen aus Jacksons Autobiographie. Es sei Rumsfelds Schuld gewesen, dass nach dem Sturz des irakischen Machthabers Saddam Hussein nicht genügend Truppen entsandt worden seien, um Recht und Ordnung aufrechtzuhalten. Der Pentagon-Chef habe darüber hinaus detaillierte Pläne des US-Außenministeriums für die Verwaltung des eroberten Irak missachtet.

Ähnlich äußerte sich Cross. Er habe Rumsfeld im Februar 2003, einen Monat vor dem Einmarsch, zu einem Mittagessen in Washington getroffen. Dabei habe er ihm seine Bedenken wegen der unzureichenden Truppenstärke für die Nachkriegszeit dargelegt. "Aber er wollte dies nicht hören'', erinnerte sich Cross.

Alles, was der allgemein geäußerten Erwartung von einem raschen Sieg der Demokratie im Irak widersprochen habe, sei im Pentagon verdrängt worden. Mittlerweile hat sich auch der ehemalige konservative Außen- und Verteidigungsminister Malcolm Rifkind in die Debatte eingeschaltet.

Untersuchung zum Irak-Krieg gefordert Er bezeichnete Rumsfeld als "inkompetent" und warf der Labour-Regierung vor, den Interessen der Alliierten und der Iraker geschadet zu haben, indem sie Meinungsverschiedenheiten mit Washington verdrängt habe. William Hague, der außenpolitische Sprecher der oppositionellen Konservativen, forderte erneut eine Untersuchung zum Irak-Krieg.

Am 15. September muss der derzeitige US-Oberkommandierende im Irak, General David Petraeus, einen Lagebericht an Präsident George W. Bush liefern und vor dem Kongress aussagen. Davon hängt auch ab, ob der Kongress den weiteren Kampfeinsatz finanzieren werden. Deshalb hat der britische Premier Gordon Brown eine publizistische Offensive gegen die Kritik seines Militärs angeordnet.

Bedauern über "deplatzierte Kritik"

Außenminister David Miliband und Verteidigungsminister Des Browne bedauerten "die deplatzierte Kritik" und beteuerten in einem Artikel für die Washington Post, dass London seine Truppen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht vor Jahresende aus der von den Briten verwalteten südirakischen Provinz Basra abziehen werde.

Anderslautende Spekulationen waren in den USA angestellt und von britischen Medien verbreitet worden. Die letzten im Irak stationierten 5500 britischen Soldaten haben am Sonntag begonnen, ihre Basis in der Innenstadt von Basra zu räumen und sich auf einen einzigen Stützpunkt am Flughafen von Basra zurückzuziehen.

© Süddeutsche Zeitung vom 3. September 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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