Alternativen:Aufklärung statt Knast

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Portugal hatte früher viele Abhängige und entschied sich deshalb für einen neuen Weg in der Drogenpolitik. Was hat die Liberalisierung gebracht?

Von Thomas Urban

Nach massiven Problemen mit vielen Abhängigen hat Portugal beim Thema Rauschgift seinen eigenen Weg eingeschlagen. Schon vor Jahren hat Lissabon den begrenzten Konsum auch harter Drogen entkriminalisiert; legalisiert wurde er allerdings nicht. Im Klartext: Die Polizei fahndet nach wie vor nach Produzenten von Drogen sowie Dealern und bekämpft die Narko-Mafia. Nicht einmal der Besitz kleiner Mengen ist legal, wie es fälschlicherweise immer wieder in ausländischen Medien heißt. Aber er wird nicht mehr wie eine Straftat geahndet, sondern wie eine Ordnungswidrigkeit.

Als begrenzter Konsum gelten zehn Tagesrationen, die mengenmäßig klar definiert sind: 25 Gramm Marihuana, zwei Gramm Kokain, ein Gramm Heroin oder Crystal, insgesamt zehn LSD- und Ecstasy-Pillen. Das Gesetz sieht vor, dass Menschen, bei denen die Polizei selbst kleine Mengen entdeckt, vor einem Gremium erscheinen müssen, dem ein Jurist, ein Sozialarbeiter und ein Psychologe angehören. Diese Experten können auch Strafen verhängen wie kleinere Geldbußen, Sozialarbeit, Platzverbote, und sie können Empfehlungen für eine Therapie aussprechen. Haftstrafen aber drohen Personen, die bei einer Kontrolle mit über die Liste hinausgehenden Mengen angetroffen werden, sie gelten rechtlich als Drogenhändler.

Das neue Gesetz wurde begleitet durch Sozialprogramme

Das portugiesische Betäubungsmittelgesetz trat vor 15 Jahren in Kraft, die damalige sozialistische Regierung hat es gegen Widerstände aus dem konservativen Lager durchgesetzt. Damals meldete das Gesundheitsministerium mehr als 100 000 Drogenabhängige - und das bei rund 10,5 Millionen Einwohnern. Ein trauriger Rekord in Europa. Überdies war die Beschaffungskriminalität zu einer landesweiten Plage geworden. Über die Ursachen herrschte weitgehend Einigkeit: Nach Jahrzehnten der Diktatur war die Gesellschaft nach der Nelkenrevolution von 1974 noch nicht in dem Maße an die neue Freiheit gewöhnt, als dass sie der Masse an Drogen hätte standhalten können, die von Südamerika kommend Portugal überschwemmten. Das Land galt den Drogenbaronen aus Übersee als Einfallstor nach Europa.

Das neue Gesetz konnte aber nur Wirkung entfalten, weil es mit staatlich finanzierten Begleitprogrammen einherging: Sozialarbeiter für die gefährdeten Viertel, Betreuung mit Substitutionsprogrammen für die Abhängigen, Aufklärungskampagnen im Fernsehen, in den Schulen und Universitäten. Die Kampagnen richteten sich vor allem gegen eine Verharmlosung von Cannabis durch eine Hanf-Lobby, die in vielen europäischen Ländern aktiv ist. Als abschreckendes Beispiel wurde den portugiesischen Jugendlichen das elende Schicksal des berühmten Reggae-Sängers Bob Marley nahegebracht.

Der Effekt der Programme war durchschlagend: Die Zahl der Abhängigen ist um zwischen einem Drittel und der Hälfte zurückgegangen - über die genaue Zahl streiten sich die Experten. Die Beschaffungskriminalität hat deutlich abgenommen, ebenso wie die Zahl der HIV-Infektionen. Es gibt zudem immer weniger Erstkonsumenten. Die Zahlen waren mit der Schuldenkrise, die die Arbeitslosigkeit explodieren ließ und das Land 2011 an den Rand der Staatspleite brachte, vorübergehend erneut gewachsen. Doch fallen sie wieder, seitdem das Land die Rezession vor zwei Jahren überwunden hat.

© SZ vom 19.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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