Altenpflege:Ohne sie geht es nicht

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100.000 Ausländerinnen helfen einer Studie zufolge für wenig Geld und zum Großteil schwarz bei der Pflege alter Menschen in Deutschland - Experten zufolge sind diese Frauen inzwischen unverzichtbar.

Charlotte Frank

Es sind nur Schätzungen, denn Menschen, die es offiziell nicht geben darf, lassen sich nicht zählen. Die Caritas hat es trotzdem erstmals in einer bundesweiten Studie versucht, die sie am Donnerstag in Berlin vorgestellt hat: 100.000 Haushaltshilfen aus Mittel- und Osteuropa arbeiten in Deutschland, der größte Teil von ihnen schwarz.

Für viele alte Menschen ist eine mittel- oder osteuropäische Pflegerin oft die einzige Alternative zum Heim (Foto: Foto: dpa)

Das Wort "Haushaltshilfe" ist allerdings irreführend, denn die Frauen aus Polen, Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Rumänien und der Ukraine arbeiten fast alle in der häuslichen Altenpflege. 90 Prozent der gepflegten Personen sind älter als 80 Jahre. Für sie stellt eine mittel- und osteuropäische Hilfe oft die einzige Alternative zum Heim dar, heißt es in der Studie.

"Die Untersuchung zeigt, dass mittel- und osteuropäische Pflegekräfte längst kein Randphänomen mehr sind", meint Claudia Becker von der Caritas. "Ohne sie könnte die häusliche Pflege in den meisten Fällen nicht aufrechterhalten werden, viel mehr Menschen müssten ins Heim."

Der Münchner Pflegeexperte Claus Fussek sagt sogar: "Wir haben in Deutschland nicht den Hauch einer Chance, auf diese Kräfte zu verzichten." Es sei erschreckend, "aber es gibt keine bezahlbare Alternative zu ihnen", sagt Fussek. Er spricht von einer "sozialpolitischen Bankrotterklärung" - denn die Frauen aus dem Osten sind in aller Regel nicht sozialversichert; viele von ihnen müssen täglich, auch am Wochenende, rund um die Uhr verfügbar sein und verdienen dafür Monatsgehälter um 1000 Euro - eine deutsche Kraft würde für den gleichen Aufwand etwa 170 Euro am Tag nehmen.

Doch von den 100.000 Osteuropäerinnen sind nur 3000 über deutsche Arbeitsagenturen vermittelt. Zudem gibt es bundesweit 70 private Agenturen, die am Import der Helferinnen verdienen.

Viele ambulante Pflegedienste befürchten deshalb schon die Verdrängung durch Billigpfleger aus dem Osten. Bei insgesamt 1,5 Millionen Menschen, die zu Hause gepflegt werden, erscheint das zunächst unbegründet - doch zeigt die Studie: Jede siebte Familie, die eine Osteuropäerin zusätzlich zu einem ambulanten Dienst beschäftigt, erwägt, diesen durch die illegal angestellte Kraft ganz zu ersetzen.

Die Strafen dafür schrecken selten ab, dabei können sie in die Tausende gehen: Im mildesten Fall wird die Haushaltshilfe ausgewiesen, die Familie muss Steuern und Sozialabgaben nachzahlen. Dazu können hohe Geldstrafen kommen. Damit Familien eine osteuropäische Kraft ohne Angst vor Sanktionen einstellen können, fordert die Caritas das Vorziehen der EU Dienstleistungsfreiheit vor 2011.

© SZ vom 24.04.2009/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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