Al-Qaida im Irak:Der Name des Schreckens

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Abu Musab al-Sarkawi gilt als Drahtzieher des Terrors im Irak - aber es gibt Zweifel an seiner Täterschaft im Fall Berg.

Von Hans Leyendecker

Der islamistische Terrorismus ist eine Hydra mit vielen Köpfen und vielen Namen. Ein Name vor allem aber steht für die Schrecken der vergangenen Monate: Abu Musab al-Sarkawi, geboren am 30. Oktober 1966 in Jordanien.

Nach Anschlägen in Casablanca, Riad oder Amman gab es Hinweise, dass der islamistische Fanatiker in die Mordpläne eingeweiht war. Im vorigen Monat strahlte das jordanische Staatsfernsehen einen Bericht über Terroristen aus, die angeblich in Amman einen Giftgasanschlag geplant hatten, dem bis zu 80.000 Menschen hätten zum Opfer fallen können. Der Hauptverdächtige erklärte in seinem TV-Auftritt, Sarkawi habe der Terrorgruppe 170.000 Dollar für Chemikalien und Lastwagen zukommen lassen.

Sarkawi ist Iraks Staatsfeind Nummer eins

Im Irak soll Sarkawi mindestens 25 Terrortaten inszeniert haben. Die Anschläge in Kerbela und Bagdad, die im März dieses Jahres 181 Opfer forderten, soll er geplant haben; ebenso den Anschlag in Basra, der vorigen Monat 74 Menschen das Leben kostete. Er ist zum Staatsfeind Nummer eins im neuen Irak geworden. Die USA haben auf ihn ein Kopfgeld von zehn Millionen Dollar ausgesetzt.

Sarkawis Biografie ist eine dunkle und verworrene Geschichte. In den achtziger Jahren hatte er, wie viele andere auch, in Afghanistan gegen die sowjetischen Besatzer gekämpft. Später soll er in Herat ein Trainingslager der al-Qaida geleitet haben.

Im Untergrund knüpfte er ein Netzwerk namens al-Tawhid, das auch in Deutschland Anschläge plante. Deutsche Behörden haben mehr als 40 Gespräche abgehört, die er mit Gesinnungsfreunden in Deutschland führte. Die Bundesanwaltschaft hat gegen ihn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, aber es gibt keine Aussicht, ihn zu ergreifen. In Jordanien wurde er in Abwesenheit wegen der Ermordung eines US-Diplomaten zum Tode verurteilt.

Im Jahr 2001 hielt sich Sarkawi mehrere Monate lang in Iran auf und befehligte von dort aus als "Scheich" die Kämpfer der al-Tawhid. Im Februar 2003 präsentierte ihn US-Außenminister Colin Powell im UN-Sicherheitsrat, wo er den bevorstehenden Angriff auf den Irak zu rechtfertigen suchte, als Bindeglied zwischen dem irakischen Diktator Saddam Hussein und Al-Qaida-Führer Osama bin Laden.

Diese Version wird heute selbst von Powell nicht mehr aufrechterhalten. Angeblich hat sich Sarkawi im Sommer 2002 allerdings einige Monate in Bagdad aufgehalten, wo ihm ein Bein amputiert und eine Prothese angepasst wurde. Auch dies ist allerdings keine gesicherte Erkenntnis.

Irakischer Vollstrecker Bin Ladens

Nach dem Golf-Krieg tauchte Sarkawi aber zweifelsfrei im Irak auf. Aus Sicht amerikanischer Geheimdienste ist er dort der Vollstrecker bin Ladens. Als Beleg dient den Amerikanern ein 17-Seiten-Papier, das ihnen im Januar dieses Jahres in die Hände fiel und das sie Sarkawi zuschreiben.

Der Titel des Videos über den Mord an dem Amerikaner Nicholas Berg, das jetzt auf der Website des Islamischen Ansar Forums erschien, lautet denn auch: "Abu Musab al-Sarkawi schlachtet einen Amerikaner." Es ist allerdings nicht sicher, ob Sarkawi wirklich derjenige der fünf Barbaren ist, der dem Amerikaner mit dem blanken Messer den Kopf abschnitt.

Sarkawi galt bisher eher als Spezialist für Anschläge auf hohem technischen und planerischen Niveau mit schweren Autobomben. In der Vergangenheit fiel er auch durch sein großes Interesse an der Verwendung chemischer Substanzen für Terroranschläge auf.

Der Verfasser des Textes wendet sich angeblich an bin Laden und propagiert eine Art Bürgerkrieg der Muslime im Irak, um die Amerikaner zu vertreiben: "Wir versetzen den Schiiten, wie ich dringend empfehle, Schlag um Schlag, lassen das Blut fließen...Seht Ihr die Dinge anders, lasst es uns wissen. Meinungsverschiedenheiten werden unsere Freundschaft nicht verderben."

Ob der Verfasser wirklich Sarkawi war, wird von französischen und deutschen Sicherheitsbehörden bezweifelt. Der Duktus des Briefes passe nicht zu ihm, heißt es. Auch die Enthauptung des Amerikaners Berg mit einem Messer entspreche nicht seiner bisherigen Vorgehensweise.

Die Inszenierung des Mordes und die prompte Veröffentlichung im Internet trägt eher die Handschrift islamistischer Gruppen aus Tschetschenien, die mit solchen Veröffentlichungen Sponsoren im arabischen Raum für neue Spenden gewinnen wollen. Dass sich die Gruppe nach Sarkawi benannte, zeigt nach Meinung von Sicherheitsexperten nur, dass er für beide Seiten zur Legende geworden ist.

© SZ vom 13.5.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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