Afghanistan:Taliban rufen zum Boykott der Wahl auf

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Ein Taliban-Sprecher warnte die Wähler, dass sie bei Anschlägen auf ausländische Truppen verletzt werden könnten. Wenn sie zur Wahl gingen, täten sie das auf eigene Gefahr

Kabul (dpa/Reuters/AFP) - Die radikalislamischen Taliban haben die Bevölkerung Afghanistans zum Boykott der Wahl am Sonntag aufgerufen. Sie sei Teil des Plans der US-Besatzer, sagte Taliban-Sprecher Abdul Latif Hakimi der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag.

Er warnte die Wähler, dass sie bei Anschlägen auf ausländische Truppen verletzt werden könnten. Wenn sie zur Wahl gingen, täten sie das auf eigene Gefahr. Die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch kritisierte, dass die Wahlen in einem "Klima der Angst" stattfänden. US-Präsident George W. Bush hingegen lobte den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai in einem Telefonat für die Wahlvorbereitungen.

Ein Kandidat für das Parlament wurde getötet. Unbekannte seien in das Haus von Abdul Hadi in der südafghanischen Provinz Helman eingedrungen und hätten den Kandidaten entführt, sagte der Sprecher der Provinzregierung. Seine Leiche sei am Freitag gefunden worden.

Talibansprecher Abdul Latif Hakimi sagte der Nachrichtenagentur AFP, Abdul Hadi sei getötet worden, weil er für die Wahlen eingetreten sei. "Diese sind ein von den USA konstruierter Prozess und er hat dabei geholfen, dass dieser Prozess erfolgreich verläuft", sagte der Sprecher.

Sieben Kandidaten ermordet

Insgesamt wurden bislang sieben Kandidaten ermordet. In der Provinz Ghasni starben am Freitag drei Menschen bei einem Bombenanschlag auf einen Bus. Afghanistan stimmt am Sonntag über sein Parlament und die Ratsversammlungen der 34 Provinzen ab.

Präsident Hamid Karsai wurde vor einem Jahr gewählt. Seine Amtszeit dauert noch vier Jahre. 12,5 Millionen der geschätzten 25 bis 28 Millionen Afghanen haben sich in das Wahlregister eintragen lassen. Die Abstimmung wird von einer Kommission organisiert, die aus Vertretern der afghanischen Regierung und der Vereinten Nationen (UN) besteht.

Die Afghanen wählen erstmals seit 36 Jahren wieder ihre Volksvertreter selbst. 2800 Kandidaten, 330 davon Frauen, bewerben sich um die 249 Sitze in der Wolesi Dschirga (Haus des Volkes). 68 Sitze sind für Frauen reserviert.

100.000 Soldaten, unter ihnen 22000 nordamerikanische und 10000 Mann der Nato, sollen die Sicherheit der Wähler gewährleisten. Die Truppen wurden vorübergehend verstärkt. Die afghanischen Sicherheitskräfte werden an den Wahlbüros positioniert.

Trotzdem herrscht in der Bevölkerung Furcht vor Anschlägen. In diesem Jahr sind in Afghanistan mehr als tausend Menschen getötet worden, unter ihnen 49 US-Soldaten. Vorläufige Ergebnisse werden am 10. Oktober erwartet, das endgültige Resultat am 22.Oktober. Die Wahl wird von internationalen Experten beobachtet.

© SZ vom 17.9.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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