Afghanistan:Regierung lehnt Einsatz im Süden Afghanistans ab

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Die Nato ist offenbar unzufrieden mit dem deutschem Enngagement innerhalb der Isaf-Mission. Das Verteidigungsministerium kontert: Der Feigheits-Vorwurf sei abwegig.

Nico Fried und Jeanne Rubner

Die Bundesregierung lehnt es ab, deutsche Soldaten in den gefährlichen Süden Afghanistans zu schicken. "Deutschland wird seine Aktivitäten zur Stabilisierung der Lage in Afghanistan weiterhin auf den Norden konzentrieren", sagte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU).

Deutscher Soldat in Afghanistan: höchst ungelegende Debatte. (Foto: Foto: dpa)

Zuvor hatten Nachrichtenagenturen aus der afghanischen Hauptstadt Kabul berichtet, die internationale Schutztruppe Isaf erwäge, deutsche Truppen für einen Einsatz im Süden anzufordern.

Zuletzt war es dort immer wieder zu heftigen Gefechten afghanischer und internationaler Sicherheitskräfte mit den radikal-islamischen Taliban gekommen.

Am Montag kamen bei einem Selbstmordanschlag in der besonders unruhigen Provinz Helmand 16 Menschen ums Leben. 47 Menschen seien bei der Explosion in der Provinzhauptstadt Lashkar Gar verletzt worden, darunter viele Kinder und Frauen, wie die Provinzregierung mitteilte.

Deutschland unter kritischer Beobachtung der anderen Isaf-Nationen

Fraglich ist allerdings, ob Berlin sich einer Isaf-Anfrage auf Verlegung in den Süden verweigern könnte. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg räumte ein, dass es nach dem geltenden Mandat der Bundeswehr möglich sei, aushilfsweise Soldaten in den Süden zu schicken, wenn die Isaf eine unabweisbare Notwendigkeit sehe. Er betonte aber: "Uns ist keine Anfrage bekannt, wir haben keine Anhaltspunkte dafür, dass solche Planungen bestehen."

Auch im Brüsseler Hauptquartier der Nato, die am 1. August die Führung über die Isaf-Truppe im Süden übernommen hat, hieß es, es gebe keine Anfrage an die Deutschen. Nato-Kreisen zufolge bestehen aber auch keine Vorbehalte ("caveats"), die es Berlin erlauben würden, eine Truppenverlegung zu verweigern. Derartige Einschränkungen der deutschen Mission seien nur technischer Natur und beträfen den Einsatz von Fluggeräten.

Agenturen meldeten, Deutschland werde von anderen Isaf-Nationen kritisch betrachtet, weil die Bundeswehr nur im verhältnismäßig ruhigen Norden stationiert ist, während andere Truppensteller schwere Verluste im Süden erlitten. Seit der Kommandoübernahme durch die Nato vor einem Monat starben dort sechs britische und sechs kanadische Soldaten.

FDP-Außenpolitiker Rainer Stinner hielt der Regierung vor, durch eine Veränderung des Mandats anlässlich der letzten Verlängerung im Bundestag einen Einsatz im Süden erst theoretisch möglich gemacht zu haben. Dies sei von den Nato-Partnern, wie er aus Gesprächen in Afghanistan wisse, durchaus zur Kenntnis genommen worden. "Wer ein solches Mandat vorlegt, muss sich aber auch der Konsequenzen bewusst sein", sagte Stinner der Süddeutschen Zeitung.

Höchst ungelegene Debatte für die Regierung

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums nannte es dagegen eine Selbstverständlichkeit, dass die Truppensteller vorübergehende Hilfe außerhalb ihrer eigentlichen Einsatzorte zugesagt hätten.

In dem theoretischen Fall, dass die Isaf deutsche Soldaten für den Süden anfordern sollte, müsste Brigadegeneral Markus Kneip an Ort und Stelle entscheiden, ob Kapazitäten zur Verfügung stünden. Der Bundeswehr-Einsatz im Norden sei bei den Isaf-Partnern hoch anerkannt, ein Vorwurf der Feigheit wäre abwegig, sagte der Sprecher. Die Bundeswehr habe seit Beginn des Einsatzes Anfang 2002 viele Verletzte und 18 tote Soldaten zu beklagen. Im Sommer hat Deutschland das Regionalkommando im Norden des Landes übernommen.

Die Debatte kommt der Regierung höchst ungelegen, weil sie angesichts der geringen Fortschritte beim Wiederaufbau in Afghanistan sowie wegen der anderen Auslandseinsätze der Bundeswehr im Nahen Osten und im Kongo Widerstand auch aus den eigenen Fraktionen fürchten muss. Das Mandat steht spätestens Anfang Oktober zur Verlängerung an. Am 13. September soll sich das Kabinett damit befassen.

© SZ vom 29.8.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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