Afghanistan:Leichnam von deutscher Geisel geborgen

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Die afghanische Polizei hat eine tote deutsche Geisel gefunden. Die Bundesregierung kämpft derweil weiter um das Leben des zweiten Entführten. Der Bauingenieur soll noch am Leben sein, obwohl die Taliban erneut vermeldet haben, sie hätten beide Männer hingerichtet.

Ein Kommandeur der afghanische Polizei hat offiziell mitgeteilt, dass der Leichnam einer toten deutschen Geisel geborgen worden sei. Die Regierung in Kabul hatte zuvor mitgeteilt, eine der Geiseln habe einen Herzinfarkt erlitten. Einem Zeitungsbericht zufolge soll die Leiche der Geisel Schussverletzungen aufgewiesen haben.

In Afghanistan haben die radikal-islamischen Taliban am Sonntag erneut bekräftigt, beide deutschen Geiseln getötet zu haben. "Die Taliban können sagen, wo sich die Leichen der beiden Deutschen befinden", teilte Taliban-Sprecher Jussuf Ahmadi der Nachrichtenagentur AFP telefonisch mit. Wenn die deutsche Regierung die Toten bergen wolle, würden die Taliban sie bedingungslos herausgeben.

Propaganda? Pression? Beweise dafür, dass auch der zweite Deutsche von den Taliban getötet wurde, lieferte er indes nicht. Die Glaubwürdigkeit Ahmadis war bezweifelt worden, allerdings versicherte Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahed, Ahmadi sei in der Angelegenheit der deutschen Geiseln Wortführer der Taliban.

Der Sprecher des afghanischen Außenamts, Sultan Ahmed Baheen, bekräftigte am Sonntag unterdessen, eine der deutschen Geiseln sei Samstagabend noch am Leben gewesen; er berief sich dabei auf Geheimdienstinformationen: "Eine andere Neuigkeit habe ich heute früh nicht." Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte bereits am Samstagabend erklärt, die zweite deutsche Geisel sei tot. Der Mann sei offenbar nicht umgebracht worden, sondern den Strapazen der Geiselhaft erlegen.

Die beiden Deutschen waren am Mittwoch in der Provinz Wardak verschleppt worden. Es handelt sich offenbar um Ingenieure, die nach Angaben des Auswärtigen Amtes in Berlin Mitarbeiter eines in Kabul ansässigen Unternehmens waren.

"Es ist eine bedrückende Erfahrung, dass dem eigenen Handeln Grenzen gesetzt sind", sagte Steinmeier. Das Auswärtige Amt sei empört darüber, dass das Schicksal der Geiseln von den Taliban instrumentalisiert worden sei. Damit spielte Steinmeier auf Äußerungen eines Sprechers der Islamisten an, beide Geiseln seien ermordet worden.

Bundeswehr-Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan schließt nach den jüngsten Entführungen deutscher Staatsbürger in Afghanistan weitere Angriffe auf die Bundeswehr nicht aus. Die Taliban wollten "Angst und Terror" verbreiten, "um uns zum Einlenken oder zum Abzug zu zwingen", sagte Schneiderhan dem Nachrichtenmagazin Spiegel. Im Einsatzgebiet deutscher Truppen im Norden des Landes sei die Situation derzeit zwar noch vergleichsweise ruhig, die Betonung liege aber auf "noch".

Einen Kampfeinsatz deutscher Soldaten im Süden des Landes lehnte der Generalinspekteur erneut ab. Die Bundeswehr wolle sich vielmehr verstärkt bei der Ausbildung der afghanischen Streitkräfte im Norden engagieren. Eindringlich warnte Schneiderhan dagegen vor einem Ausstieg aus der umstrittenen Anti-Terror-Mission "Enduring Freedom" (OEF). Dieser Einsatz habe für Deutschland viel mit internationaler Solidarität zu tun: "Bündnispolitisch wäre ein Ausstieg aus meiner Sicht eine Katastrophe."

Die Taliban forderten den Abzug der rund 3.000 Bundeswehrsoldaten aus Afghanistan und die Freilassung aller islamistischen Milizen aus afghanischer Haft. Die erste Geisel sei am Samstag um 12.05 Uhr Ortszeit getötet worden, später vermeldete der Talibansprecher den Tod der zweiten Geisel.

Am Nachmittag hatte dann aber das afghanische Außenministerium unter Berufung auf Sicherheitskräfte mitgeteilt, einer der beiden Männer sei einem "Herzanfall" erlegen, der zweite lebe. Es werde alles getan, um seine Freilassung zu erreichen.

Taliban nur Trittbrettfahrer?

Im Laufe des Samstags waren auch Zweifel daran gewachsen, ob sich die verschleppten Deutschen überhaupt in der Hand der Taliban befinden. Der Kabul-Korrespondent der ARD äußerte in den Tagesthemen, dass die beiden Bauingenieure von "afghanischen Stämmen" entführt worden seien, die eigentlich einen afghanischen Geschäftsmann hätten entführen wollen. Die Taliban agierten - so der ARD-Korrespondent - nur als Trittbrettfahrer.

Nach Informationen des ZDF handelt es sich bei einem der Entführten um einen Deutschen aus Mecklenburg-Vorpommern, der andere Mann habe schon lange in Afghanistan gelebt. Welcher der beiden Männer verstorben ist, war unklar.

Die Bundesregierung lehnte unterdessen einen Rückzug der Bundeswehr strikt ab. "Ich werde für die Verlängerung der Mandate werben", sagte Kanzlerin Angela Merkel der Passauer Neuen Presse. Ähnlich äußerte sich SPD-Chef Kurt Beck im ZDF. "Wir dürfen davor nicht einknicken", betonte er.

Nervenkrieg auch um verschleppte Südkoreaner

Zu ebenfalls in Afghanistan entführten südkoreanischen Christen erklärte der selbsternannte Talibansprecher, es handle sich um 23 Geiseln, die gegen 23 gefangene Talibamitglieder ausgetauscht werden müssten. Er setzte der Regierung in Seoul eine Frist bis 19 Uhr Ortszeit am Sonntag, um auf diese Forderung einzugehen.

Andernfalls würden die Südkoreaner getötet. Zuvor hatte er deren Ermordung bereits für Samstag angedroht, wenn nicht die 200 in Afghanistan stationierten südkoreanischen Soldaten abgezogen würden. Der Sprecher hatte die Anzahl der Geiseln ursprünglich mit 18 angegeben.

Nunmehr erklärte er, man habe einige von ihnen fälschlicherweise für Afghanen gehalten, weil sie Dari und Paschtu sprächen. Der südkoreanische Präsident Roh Moo Hyun sprach ebenfalls von 23, darunter sollen 18 Frauen sein. Ein ranghoher südkoreanischer Regierungsbeamter erklärte sich zu Verhandlungen mit den Taliban bereit.

Zuvor hatte da Außenministerium in Seoul erklärt, der Truppenabzug werde wie geplant bis Ende des Jahres vollzogen. Die südkoreanischen Soldaten leisten überwiegend humanitäre Hilfe in Afghanistan.

© sueddeutsche.de/AP/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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