Affäre um Beraterverträge:Gerster wird für die Regierung zur Belastung

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Der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA) gerät immer stärker unter Druck. Er sei "politisch nicht mehr tragbar", hieß es am Dienstag in Regierungskreisen. Eine interne Prüfung der Behörde ergab, dass Gerster drei weitere Verträge ohne Ausschreibung vergeben hat.

Von Robert Jacobi und Jonas Viering

Es handelt sich dabei um zwei Aufträge für die Unternehmensberatung Roland Berger und einen für den Computerdiensleister IBM. Gerster rechtfertigt dies offenbar damit, dass es sich um Folgeaufträge zu früher abgeschlossenen Verträgen handle. Der Wert beträgt 1,66 Millionen Euro. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement kündigte umfassende Aufklärung an.

Offiziell deckte Clement den Behördenchef am Dienstag erneut: Gerster sei ein "hervorragender Fachmann". Der SPD-Wirtschaftsminister wiederholte aber nicht seine umfassenden Vertrauensbekundungen aus den vergangenen Wochen, sondern wies auf die Prüfung der Beraterverträge hin.

Kleinere Verträge ohne Ausschreibung vergeben

Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) sagte in Kenia, er wolle sich von dort "nicht zu sehr spezifischen Fragen der deutschen Verwaltung" äußern. In Regierungskreisen hieß es aber, Gerster sei wegen der Verträge mit Berger "politisch nicht mehr tragbar". Der BA-Chef selbst erklärte, er bleibe "an Bord", solange er "das Vertrauen der Bundesregierung" habe.

Schon im Herbst 2002 hatte Roland Berger neben anderen Beratern umfangreiche und ordentlich ausgeschriebene Aufträge bekommen, um den Umbau der Behörde zu begleiten. Im vergangenen Jahr gingen dann nach Angaben aus Beraterkreisen zwei weitere kleinere Aufträge - diesmal ohne Ausschreibung - an Berger. Für 625.000 Euro sollten die Berater die Verwaltung des Kindergeldes, die Aufgabe der BA ist, effizienter gestalten. 398.000 Euro gab es für ein Konzept, wie Kontrollen gegen Schwarzarbeit besser zu handhaben seien.

Der BA-Vorstand ging offenbar davon aus, dass dies durch das Vergaberecht gedeckt sei, da es sich um Folgeaufträge handle. Bis zu einem zusätzlichen Volumen von 50 Prozent des Hauptprojekts dürfen Folgeverträge, die ursprünglich nicht absehbar waren, freihändig vergeben werden. Diesen Prozentsatz erreichen die Berger-Verträge nicht.

Vertrauensverlust im Kontrollgremium

Ähnlich verhält es sich mit dem Vertrag an IBM, der Computerdienstleistungen beinhaltet und sich auf 640.000 Euro beläuft. Insgesamt hat die BA dem Prüfbericht zufolge für die Jahre 2003 und 2004 etwa 170 Beraterverträge für knapp 70 Millionen Euro vergeben.

Dazu kommt der Auftrag an die Beraterfirma Accenture, eine neue Internet-Plattform zu entwickeln. Die Kosten dafür stiegen von ursprünglich etwa 60 auf 75 Millionen Euro. Die Union hat Wirtschaftsminister Clement, der die Rechtsaufsicht über die BA innehat, für den kommenden Mittwoch vor den Wirtschaftsausschuss geladen.

Am Dienstagabend sollte der BA-Finanzvorstand Frank-Jürgen Weise mit dem Leiter der Innenrevision dem Präsidium des Verwaltungsrats Bericht erstatten. In dem aus Arbeitgebern, Gewerkschaftern und Vertretern der öffentlichen Hand zusammengesetzten Kontrollgremium hat Gerster an Rückhalt verloren - auch bei Mitgliedern, die ihn bisher stützten. "Es geht um seinen Kopf", hieß es gruppenübergreifend.

Rücktrittsforderungen aus der Opposition

"Gerster hätte die Karten von sich aus auf den Tisch legen müssen - das hat er nicht getan", sagte Jürgen Heike, bayerischer Arbeitsstaatssekretär und Mitglied im Verwaltungsrat. Es gehe um "gravierende Dinge", welche die Spitze nicht auf Untergebene abwälzen dürfe, sagte ein anderes Mitglied. Das Vertauschen von Daten in einem Papier der Büroleiterin Gersters zur nachträglichen Rechtfertigung der Ende 2003 bekannt gewordenen freihändigen Vergabe an die PR-Firma WMP sei dagegen "eine bloße Ungeschicklichkeit".

In der BA wurde Unmut laut: Der Streit um Gerster beschädige die ganze Behörde. Der Chef des Bundesverbandes der Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt, erklärte, wenn Verträge von Gerster tatsächlich nicht ordentlich ausgeschrieben worden seien, "wären Konsequenzen unausweichlich". Union und FDP forderten den Behördenchef erneut zum Rücktritt auf.

© SZ vom 21.01.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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