Ärger über CDU-Politik:Die Fraktion der Frustrierten

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Gestern kündigte der ehemalige Unionsfraktionschef Friedrich Merz seinen Rückzug aus der Politik an. Heute ließ ein weiterer prominenter CDU-Abgeordneter wissen, dass er ähnliche Gedanken hegt.

"Die Gedanken, die Friedrich Merz bewogen haben, habe ich auch. Noch komme ich zu einer anderen Konsequenz", sagte stellvertretende Unionsfraktionschef Wolfgang Bosbach der Rheinischen Post.

"Ich habe alles dafür getan, dass wir an die Regierung kommen. Aber wenn man in 14 Monaten Regierung mehr Frustrations-Erlebnisse hat als in sieben Jahren Opposition, kommt man ins Grübeln."

Die zahlreichen Zugeständnisse an die SPD seien nur die eine Hälfte seiner Zweifel, sagte Bosbach. Was die andere Hälfte ausmache, ließ er nach Angaben der Zeitung auch auf Nachfragen offen. Noch aber überwiege bei ihm das Gefühl, dass er die zahlreichen Freunde wie Fraktionschef Volker Kauder (CDU) oder Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) nicht allein lassen könne.

Der stellvertretende Unionsfraktionschef Wolfgang Zöller (CSU) warnte in einem dpa-Gespräch vor zu viel Frust in der großen Koalition. Die Kritik von Merz an der Arbeit der Koalition und Frust-Äußerungen von Bosbach entsprechen aus seiner Sicht aber nicht der allgemeinen Stimmung. "Das sind Stimmen von einzelnen", sagte Zöller.

Kritik an Merz

Linkspartei-Fraktionsvize Bodo Ramelow forderte unterdessen das sofortige Ausscheiden von Friedrich Merz aus dem Bundestag. Ein Feierabend-Abgeordneter, der seinen Abschied angekündigt habe, schade dem Ansehen des Parlaments, sagte Ramelow der in Erfurt erscheinenden Thüringer Allgemeine. Merz will auch aus Protest gegen den Kurs der großen Koalition und seiner Partei in Nordrhein-Westfalen bei der Bundestagswahl 2009 nicht wieder antreten.

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, bedauerte in dem Blatt den Entschluss von Merz: "Es ist schade, wenn die kantigen Figuren gehen." Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) sagte, ohne auf die Kritik von Merz an der großen Koalition und dem nordrhein-westfälischen CDU-Landesverband einzugehen: "Das ist eine persönliche Entscheidung, die es zu respektieren gilt."

Merz hatte am Montagabend mitgeteilt, er habe seine Entscheidung "auch im Zusammenhang mit der gegenwärtigen Politik der großen Koalition in Berlin und mit dem politischen Kurs der nordrhein-westfälischen Landespartei getroffen". Die Arbeit der Landes-CDU sei mit seinen Grundüberzeugungen, "für die ich viele Jahre in der CDU gearbeitet habe, nicht vereinbar".

Rückkehr möglich

Dem WDR sagte Merz, er sei bereit, sich "weiterhin politisch zu engagieren", aber nicht mehr hauptamtlich im Bundestag. Er wolle auch nicht ausschließen, "in einigen Jahren mit Abstand" in die Bundespolitik zurückzukehren. Zu Kritik, er habe seine berufliche Tätigkeit als Wirtschaftsanwalt und die Politik vermischt, sagte Merz, er habe "kein einziges Mandat angenommen, das mich in Interessenkonflikt mit meinem politischen Mandat gebracht hätte".

Der Finanzexperte Merz galt lange als einer der Hoffnungsträger der CDU. Im Jahr 2000 wurde er Nachfolger von Wolfgang Schäuble als Unions-Fraktionschef. Im Machtkampf mit CDU-Chefin Angela Merkel war Merz nach der verlorenen Bundestagswahl 2002 unterlegen. Danach war er noch zwei Jahre lang Fraktionsvize. Von 2000 bis 2004 gehörte Merz dem CDU-Präsidium an.

Bei der Abstimmung zur Gesundheitsreform im Bundestag am vergangenen Freitag votierte er mit Nein. Merz hat erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken wegen der Zukunft der privaten Krankenkassen.

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