Ärger über Altkanzler Schmidt:"Seine Botschaft lautet: Ihr gehört nicht zu uns"

Lesezeit: 1 min

Altkanzler Schmidt glaubt, "es war ein Fehler, zu Beginn der 60er Jahre Gastarbeiter aus fremden Kulturen ins Land zu holen". Vor allem türkischstämmige Politiker von SPD und Grünen sind empört. Denn das deutsche Wirtschaftswunder wäre ohne Zuwanderer nicht möglich gewesen.

Bayerns Innenminister Günther Beckstein warf in der Bild-Zeitung die Frage auf, "ob es nicht besser wäre, die Fabriken zu den Menschen zu bringen, anstatt Menschen in andere Kulturkreise zu verpflanzen".

Dagegen warf der Grünen-Europaabgeordnete Cem Özdemir der damaligen Regierung des Altkanzlers Helmut Schmidt Versäumnisse bei der Integration von Einwanderern vor.

Schmidt hatte im "Hamburger Abendblatt" vom Mittwoch die Auffassung vertreten, mit einer demokratischen Gesellschaft sei "das Konzept von Multikulti schwer vereinbar". Es sei insofern ein Fehler gewesen, "dass wir zu Beginn der sechziger Jahre Gastarbeiter aus fremden Kulturen ins Land holten".

"Demokratie und Multikulti sind schwer vereinbar"

Die damit entstandenen Probleme seien in Deutschland, aber auch in ganz Europa vernachlässigt worden. Özdemir hielt dem entgegen, auch Schmidt müsse sich fragen lassen, "was seine Regierung zu besseren Sprachkenntnissen und Schulerfolg von Einwandererkindern beigetragen hat".

Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün wies die Äußerungen des Altkanzlers zurück. "Die Botschaft, die Schmidt sendet, lautet: Ihr gehört nicht zu uns, wir wollen Euch nicht", sagte sie der Berliner Zeitung.

Auch der frühere Industriepräsident Olaf Henkel mahnte, in den Sechzigern habe es zu einem Zuzug ausländischer Arbeitskräfte keine Alternative gegeben. "Wir waren von ihnen abhängig, und ohne sie hätte es kein deutsches Wirtschaftswunder gegeben", betonte Henkel in der TV-Sendung "Maischberger".

"Wir brauchen auch in Zukunft Fachkräfte aus dem Ausland"

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Ludwig Georg Braun, warnte vor der Einschätzung, "dies seien alles nur Gäste". "Wir brauchen auch in Zukunft bei Engpässen die Möglichkeit, Fachkräfte aus dem Ausland anzuwerben", fügte er hinzu.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, gab in dem Blatt zu bedenken, die Integration der "so genannten Gastarbeiter" sei viel zu lange vernachlässigt worden.

Der frühere SPD-Bundesgeschäftsführer Peter Glotz äußerte sich an gleicher Stelle kritisch zur Einwanderungspolitik: "Wir wären besser gefahren, wenn wir die Einwanderung gesteuert hätten."

© AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: