Ägypten:"Hunden und Dänen ist der Eintritt verboten!"

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Während es in vielen muslimischen Ländern zu teilweise gewaltsamen Protesten gegen die Mohammed-Karikaturen gekommen ist, blieb es in Ägypten ruhig. Doch auch hier stößt man auf heftige Kritik am Westen.

Ein Bericht von Marius Meyer

Plötzlich ist die berühmte arabische Gastfreundlichkeit vergessen. In einem Antiquitätengeschäft in Kairo bin ich auf ein Schild gestoßen: "Hunden und Dänen ist der Eintritt verboten!"

Ein Schild an der Tür eines Antiquitäten-Geschäfts in Kairo. (Foto: Foto: Marius Meyer)

Ich bin kein Skandinavier - aber das Schild provoziert zu einem Experiment: Ich gebe mich als Däne aus.

Schon stehe ich zwischen alten Grammophonen und kitschigen Porzellanfiguren, während die ganze Familie des Inhabers mich anbrüllt und ich ordentlich zurückkeife.

Die Argumente und Pseudoargumente schallen bis auf die Straße, wo zwei deutsche Freunde auf mich warten und nicht recht wissen, was sie machen sollen.

Ich bestehe darauf, nicht mit Hunden gleichgesetzt zu werden, was eine der schlimmsten Beleidigungen ist, die es in der islamischen Welt gibt, und bekomme zu hören, dass "ihr Dänen den Propheten wie einen Hund dargestellt habt."

Der Streit verläuft nicht sehr rational. So hält mir die Hausherrin ihren verschleierten Hals hin und fordert mich auf, sie zu töten. "Es ist besser, du tötest mich, als dass du meinen geliebten Propheten beleidigst."

Meine Frage, warum nun so viele Muslime demonstrieren und sogar Botschaften anzünden, aber sich kaum jemand in den islamischen Ländern gerührt hatte, als Extremisten die Religion missbrauchten, um den gewaltsamen Tod tausender Terroropfer zu rechtfertigen, wird beiseite gewischt: "Die Ehre Mohammeds ist wichtiger als das Leben aller Menschen auf der Welt."

Ein Boykott in aller Ruhe

Seit vier Monaten lebe ich in Kairo, in einem Mittelklasse-Stadtteil, in dem fast nur Ägypter wohnen. Doch bis auf diesen Streit habe ich wenig von dem Aufruhr um die Karikaturen mitbekommen, die von der dänischen Zeitung Jyllands Posten veröffentlicht wurden.

Der Verkehr vor der dänischen Botschaft wird kontrolliert, aber die Sicherheitskräfte sagen mir, dass es auch am Freitag nach den Predigten hier keine Demonstrationen gegeben habe.

Allerdings ist es schwierig geworden, die hier sonst sehr beliebte dänische Butter zu bekommen. Die meisten Supermärkte haben sie aus dem Angebot genommen, da dänische Produkte boykotiert werden.

Vielleicht ist es in Ägypten so ruhig, weil es keine wirklich relevante Gruppe gibt, die ein Interesse an einer Eskalation hat. Die Regime in Syrien und Iran nutzen die Chance, um die Bevölkerungen auf ihren anti-westlichen Kurs einzuschwören.

Die beiden Länder üben gleichzeitig großen Einfluss auf den Libanon aus. Dort heizt die Hisbollah, die durch amerikanische Entwaffnungsforderungen bedroht ist, die Situation an.

In den Palästinensergebieten haben die Islamisten seit dem Wahlgewinn der Hamas Auftrieb, während die säkularen Extremisten die Fesseln der Regierungsverantwortung los sind. Darüber hinaus haben die zu den Wahlverlierern gehörenden Sicherheitskräfte wenig Interesse an einer Beruhigung der Situation.

Und in anderen islamischen Ländern nutzt die islamistische Opposition die Chance, sich gegen die Regime zu profilieren und ihre Sympathisanten zu mobilisieren.

In Kairo dagegen stellt die größte islamistische Gruppe, die Muslimbruderschaft, seit Dezember die stärkste Oppositionsfraktion im Parlament.

Im Wahlkampf hat sie sich als demokratisch dargestellt. Und einzelne fanatische Prediger haben es schwer in einem Land durchzudringen, in dem der gemäßigte Groß-Imam der Azhar-Moschee die unangefochtene religiöse Autorität innehat. Scheikh Mohammed Sayed Tantawi ist um den Ausgleich mit dem Westen bemüht - sogar Frankreich hat er das Recht zugestanden, in den Schulen das Kopftuch zu verbieten. Und die Regierung Husni Mubaraks ist sowieso westlich orientiert.

Ablenkung Fußball

Neben diesen politisch-gesellschaftlichen Gründen, gibt es noch eine weitere mögliche Ursache für die relative Gelassenheit der Ägypter in den letzten Tagen: Sport. Zurzeit findet hier nämlich die Afrikanische Fußballmeisterschaft statt - und die ägyptische Nationalmannschaft fährt Sieg um Sieg ein.

Am Donnerstagabend, direkt vor dem als "internationalen Tag des Zorns" deklarierten Freitag, gewann das Team 4:1 gegen die Demokratische Republik Kongo. Bei vielen Fans dürfte dies das Selbstwertgefühl gestärkt und so manches Gemüt gekühlt haben.

"Die sind ja gar nicht so schlimm"

Nach ein paar Minuten beruhigt sich dann auch die Situation in dem Antiquitätengeschäft wieder. Dem Besitzer tut es leid, alle Dänen über einen Kamm geschert zu haben.

Bei einem Tee versichert er mir, er habe das Schild nur im ersten Zorn aufgehängt und bittet seine Frau, es abzunehmen. Als ich ihm die Zeichnungen aus der Jyllands Posten zeige, ist er verdutzt. "Die sind ja gar nicht so schlimm, wie ich gehört habe."

Dennoch will er einen Tag später einen neuen Zettel aufhängen: "Für Hunde und Journalisten der Jyllands Posten verboten

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