Abu-Ghraib-Prozess:Menschen-Pyramide als "sehr kreative Technik" bezeichnet

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Im Verfahren gegen den US-Unteroffizier Charles Graner wegen der Misshandlungen in dem irakischen US-Militärgefängnis haben erstmals Zeugen der Verteidigung ausgesagt, allerdings anders, als vom Angeklagten erhofft.

Graners früherer Vorgesetzter, Hauptfeldwebel Brian Lipinski, sagte vor dem Gericht in Fort Hood, der 36-Jährige habe sich mehrmals und wiederholt Befehlen widersetzt.

So habe Graner sein Haar zu lang getragen, seine Uniform eigenmächtig verändert und sich nicht wie angeordnet von der Soldatin Lynndie England, seiner damaligen Freundin, fern gehalten. England, die ebenfalls ein Misshandlungsprozess erwartet, hatte im Oktober ein Baby geboren; laut Anklage ist Graner der Vater.

Lipinkski berichtete weiter, dass Graner ihn im November 2003 angelogen habe, als es um die Nacken- und Gesichtsverletzungen eines Gefangenen ging. Zuerst habe Graner ausgesagt, der Häftling sei hingefallen, später aber eingeräumt, dass er den Mann gegen die Wand geschleudert habe. An der Wand sei ein Blutfleck zurückgeblieben.

Graners Verteidiger hatten sich von Lipinski entlastende Aussagen ihren Mandanten erhofft, ebenso von anderen US-Militärpolizisten, die sie selbst in den Zeugenstand gerufen hatten.

"Ich glaube, ich hätte dasselbe getan"

Entgegen der Verteidigungslinie erklärten diese, es habe keine Befehle von oben gegeben, die die Misshandlung von Gefangenen gerechtfertigt hätte. Graners Anwälte Argumentieren, seine Vorgesetzten hätten die Misshandlungen befohlen, um die Gefangenen für Verhöre "weich zu machen".

Ein ehemaliger amerikanischer Polizist verteidigte Graner hingegen. Das Aufeinandertürmen nackter Häftlinge zu einer menschlichen Pyramide im irakischen Abu-Ghraib-Gefängnis sei eine "sehr kreative Technik" gewesen, sagte der frühere US-Beamte Thomas Archambault vor dem Militärgericht.

Graner habe in einer "potenziell gefährlichen Situation" "Weitsicht" bewiesen. Er selbst hätte in solch einer Lage auch Fotos von den Gefangenen gemacht, sagte Archambault.

Er verwies auf den "Stress" der Wärter, die zudem Häftlinge bewacht hätten, die andere US-Soldaten getötet hätten. "Ich glaube, ich hätte dasselbe getan."

Essen aus der Kloschüssel

Der US-Berater räumte allerdings ein, dass die "Techniken" Graners nicht in den Anleitungen zur Beaufsichtigung der Häftlinge stünden. Der Vorsitzende Richter verfügte, dass die Aussagen nicht der Jury vorgelegt würden, weil sie irrelevant seien.

Das Gericht sah weitere Video-Aussagen ehemaliger Gefangene, die Graner schwere Misshandlungen vorwarfen. Ein Iraker erklärte, der US-Soldat habe ihn mit einem Stuhl geprügelt, bis dieser zerbrochen sei, ihn bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen, Pfeffer in die Augen gestreut und ihn gezwungen, aus der Toilette in seiner Zelle zu essen.

Graner ist vor dem US-Militärgericht wegen physischer, psychischer und sexueller Misshandlungen angeklagt. Er argumentiert, dass er auf Befehl handelte und Terrorverdächtige mit harschen Methoden "weich klopfen" sollte. Militärermittler berichteten aber, dass die meisten Gefangenen auf dem Foto normale Kriminelle waren. Zeugenaussagen in dem Prozess hatten Graner bereits belastet.

Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 17 Jahre und sechs Monate Haft. Der Angeklagte plädierte auf nicht schuldig.

© sueddeutsche.de/dpa/AFP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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