Abu Ghraib Prozess:"Auch Cheerleader bilden Pyramiden"

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Der Anwalt des angeklagten US-Soldaten Charles Graner hat versucht, seinen Mandanten mit makaberen Vergleichen zu entlasten - ein Hohn für die gedemütigten Opfer der Misshandlungen im Gefängnis Abu Ghraib.

Es sei nichts dabei, Gefangene auszuziehen, menschliche Pyramiden bilden zu lassen und wie Hunde an der Leine zu halten, argumentierte der Anwalt Guy Womack am Montag vor dem Militärgericht in Fort Hood im Bundesstaat Texas.

"Überall in den USA bilden die Cheerleader Pyramiden", sagte der Jurist unter Bezug auf die Tänzerinnen, die bei Sportveranstaltungen die Stimmung anheizen. Mehrere als Zeugen geladene Soldaten belasteten Graner dagegen vor Gericht.

Der 36-jährige Graner ist wegen physischer, psychischer und sexueller Misshandlungen angeklagt. Er gilt als Rädelsführer einer Gruppe von Soldaten, deren auf Fotos festgehaltene Quälereien irakischer Häftlinge im vergangenen Jahr die Weltöffentlichkeit schockierten.

Auf den Fotos ist unter anderem zu sehen, wie Graner grinsend und mit triumphierend hochgehaltenem Daumen neben einer Pyramide aus nackten Gefangenen steht. Auch soll er das berüchtigte Foto gemacht haben, auf dem die Soldatin Lynndie England einen nackten Gefangenen an der Leine hält.

Graner ist der Vater des Kindes, das England im Oktober zur Welt brachte. Die Aufstellung menschlicher Pyramiden sei "keine Folter", sondern ein Mittel, die Gefangenen "technisch" unter Kontrolle zu bringen, sagte Anwalt Womack.

Er stellte es zudem als normal dar, Gefangene an der Leine zu halten. Schließlich seien in den Einkaufszentren und Flughäfen der USA häufig Kinder zu sehen, die von ihren Eltern an der Leine gehalten würden.

Der Ankläger Michael Holley hatte zuvor daran erinnert, dass Graner im Verdacht steht, einen Gefangenen tot geschlagen zu haben, den er zuvor gezwungen habe, oralen Sex zu simulieren.

Makaberes "Geschenk"

Der als Zeuge geladene Soldat Matthew Wisdom sagte aus, was er in Abu Ghraib gesehen habe, habe ihn "krank gemacht". So habe er mit ansehen müssen, wie Gefangene dazu gezwungen wurden zu masturbieren, während andere mit geöffnetem Mund vor ihnen knien mussten.

Ein weiterer Zeuge sagte aus, bei diesen Praktiken habe es sich um eine "Geburtstagsgeschenk" Graners an seine Freundin Lynndie England gehandelt, die sich an jenem Tag auf dem Flur des Gefängnisses aufgehalten habe.

Der im Zusammenhang mit dem Folterskandal bereits zu einem Jahr Haft verurteilte Soldat Jeremy Sivits bezeugte, Graner habe einen um Gnade flehenden irakischen Gefangenen bis zur Bewusstlosigkeit geprügelt.

Graner ist wegen Verschwörung zur Misshandlung Gefangneer, mangelnden Schutzes von Häftlingen gegen Misshandlungen, Grausamkeit, Aggression, unsittlicher Akte und Behinderung der Justiz angeklagt.

Ihm drohen bei einem Schuldspruch mehr als 17 Jahre Haft. Der Angeklagte plädierte auf nicht schuldig und argumentierte, er habe lediglich die Anweisungen seiner Vorgesetzten befolgt, die Gefangenen zum Verhör vorzubereiten.

Der wegen des Skandals zu acht Jahren Haft verurteilte Soldat Ivan Frederick sagte jedoch in dem Prozess aus, es habe keine derartigen Anordnungen gegeben: "Was die Dinge betrifft, die uns vorgeworfen werden, so hat uns niemand Befehl gegeben, so zu handeln."

Es handelt sich um den ersten Prozess zu dem Skandal, der in den USA stattfindet. Im vergangenen Jahr waren bereits drei Soldaten wegen der Misshandlungen von einem US-Militärgericht in Bagdad zu Haftstrafen zwischen acht Monaten und acht Jahren verurteilt worden.

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