Abtreibungswerbeverbot:Richter kippen Urteil gegen Ärztin

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Kristina Hänel wird Werbung für Abtreibung vorgeworfen - nun muss das Landgericht Gießen neu entscheiden.

Von Michaela Schwinn, München

Ärztin Kristina Hänel (Foto: Boris Roessler/dpa)

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat das Urteil gegen die Ärztin Kristina Hänel wegen Werbung für Schwangerschaftsabbrüche aufgehoben. Das Gericht begründete seine Entscheidung mit der Reform des Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch, die im Februar dieses Jahres beschlossen worden war. Der Paragraf, der es unter Strafe stellt, für Abtreibungen zu werben, war nach einer langen Debatte im Bundestag um einen Absatz ergänzt worden. Es lasse sich nicht ausschließen, dass diese Neufassung des Gesetzes nun zu einer günstigeren Bewertung des Falles führen könnte, hieß es in einer Pressemitteilung des Gerichts.

Ob die Allgemeinmedizinerin Kristina Hänel freigesprochen wird, ist allerdings offen. Denn das Landgericht Gießen muss sich nun erneut mit dem Fall befassen. Hänel war im November 2017 vom Amtsgericht Gießen zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt worden. Das Gericht begründete dies damals damit, dass Hänel auf ihrer Homepage für Abtreibungen werbe, was gegen Paragraf 219a verstoße. Abtreibungsgegner hatten die Ärztin angezeigt.

Hänels Berufung gegen das Urteil wies das Landgericht Gießen im Oktober 2018 ab. Ihr Anwalt hatte damals in seinem Plädoyer den Paragrafen 219a in seiner damaligen Form als verfassungswidrig bezeichnet, da er die Berufsfreiheit von Ärzten und das Informationsrecht der schwangeren Frauen verletze. Der Fall hatte in Deutschland eine breite Debatte darüber ausgelöst, welche Information Ärzte, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, veröffentlichen dürfen. Die Bundesregierung befasste sich daraufhin mit dem Paragrafen.

Hänel, die eine Praxis in Gießen betreibt, wertet die Entscheidung des Oberlandesgerichts allerdings nicht als juristischen Erfolg. "Ich wurde nicht freigesprochen!", schrieb sie am Mittwoch auf Twitter. Das Oberlandesgericht habe keine klare Entscheidung getroffen, sondern lasse das Landgericht Gießen arbeiten. Für sie handele es sich um eine Zeitverzögerung auf dem Weg zum Bundesverfassungsgericht: "Kein Schritt nach vorne, sondern zwei zurück", schrieb die Ärztin. Sie wolle weiterhin dafür kämpfen, dass der umstrittene Paragraf 219a auf Verfassungsmäßigkeit geprüft werde. "Wir werden nicht aufgeben, ehe die Informationsfreiheit für Frauen nicht erreicht ist", sagte Hänel der Deutschen Presse-Agentur. Die Änderung des Paragrafen 219a geht ihr nicht weit genug, sie hatte den Kompromiss, der Anfang des Jahres im Bundestag beschlossen wurde, scharf kritisiert. Zwar dürfen Ärzte künftig darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Weitergehende Informationen dürfen jedoch weiterhin nur von Behörden, Beratungsstellen und Ärztekammern gegeben werden.

Ihr bliebe die Hoffnung, sagt Hänel, dass das Landgericht Gießen von sich aus die Richter in Karlsruhe anrufe, um überprüfen zu lassen, ob Paragraf 219a verfassungskonform ist. Dies sei die einzige Möglichkeit, das Verfahren zu beschleunigen.

© SZ vom 04.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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