Abstimmungs-Marathon im Bundestag:Müntefering: Fünf Abweichler in der SPD

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Die vom Kanzler geforderte "eigene Mehrheit" ist gefährdet: Bei der Zumutsbarkeitsregelung für Langzeitarbeitslose werden fünf SPDler mit "Nein" stimmen. Vier Grüne deuteten ihre Ablehnung an. Der Bundestag entscheidet heute in 15 namentlichen Abstimmungen über die im Vermittlungsausschuss erzielten Kompromisse.

SPD-Fraktionschef Franz Müntefering erklärte nach einer Fraktionssitzung am Freitag Morgen, fünf Abgeordnete hätten ihre ablehnende Haltung in diesem Punkt deutlich gemacht. Nach dem umstrittenen Passus des Kompromisses müssen Langzeitarbeitslose jede Arbeit annehmen.

Bekommt er seine gewünschte Mehrheit: Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD)? (Foto: Foto: AP)

Bei allen anderen Punkten des mit der Opposition ausgehandelten Reformkompromisses sei die Koalitionsmehrheit sicher, sagte Müntefering weiter. Er habe den Abweichlern vorgeschlagen, ihre Einwände gegen die Zumutbarkeitsregeln in einer Erklärung zu formulieren, und dem Gesetz zuzustimmen. Er könne aber nicht sagen, ob dieser Vorschlag aufgegriffen wird.

Zuvor hatte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Wilhelm Schmidt gesagt, die Frage der Abweichler werde "völlig unangemessen künstlich aufgebauscht". Die Koalition habe ein unglaubliches Reformpaket geschultert und die Union mit ins Boot geholt. "Das werden einige wenige Abweichler ohnehin nicht ändern." Die SPD-Fraktion war mit 251 Abgeordneten vollzählig.

Stoiber: Fehlende Kanzlermehrheit wäre Schröders Aus

Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber hält hingegen einen Rücktritt von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) für zwangsläufig, falls dieser bei der Reformabstimmung im Bundestag keine eigene Mehrheit bekommt. Schröder habe sein politisches Schicksal mit der "Agenda 2010" verbunden, sagte Stoiber im ARD-Morgenmagazin.

"Wenn er jetzt am Ende des Prozesses keine eigene Mehrheit bekommt, dann ist er erheblich beschädigt." Wer auf Dauer die Opposition brauche müsse sagen: Das war's.

Sondersitzung des Parlaments

Bundestag und Bundesrat stimmen heute über das Vorziehen der Steuerreform und weitere im Vermittlungsausschuss ausgehandelte Sozialreformen ab. Der Bundestag kommt eigens zu einer Sondersitzung zusammen, um in fünfzehn namentlichen Abstimmungen über die am Dienstag erzielten Kompromisse zu entscheiden.

Anschließend wird sich sofort der Bundesrat damit befassen. Die Zustimmung beider Kammern gilt als sicher. Ein Großteil der Reformen könnte dann bereits zum 1. Januar in Kraft treten. Mit der Steuerreform sollen die Bürger um 15 Milliarden Euro entlastet werden.

Bei voller Anwesenheit können sich SPD und Grüne bei normalen Abstimmungen acht Abweichler leisten. Für einige Gesetze ist aber die Kanzlermehrheit aller gewählten Abgeordneten möglich, für die sich Rot-grün nur vier Abweichler erlauben kann.

Merkel rechnet mit Mehrheit für Schröder

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) forderte bei n-tv die Kritiker innerhalb der Koalition auf, ihr Votum nochmals zu überdenken. Er sagte aber zugleich: "Gerhard Schröder ist auch dann kein Verlierer, wenn er nicht die eigene Mehrheit bekommt."

CDU-Chefin Angela Merkel rechnet damit, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die eigene Mehrheit bekommt. "Ich gehe davon aus. Er braucht sie, und er bekommt sie", sagte sie der Welt. Zugleich rechne sie damit, dass im Bundesrat alle Unions-Länder für den Steuerkompromiss stimmen werden. "Ich habe keine Anzeichen dafür, dass es anders kommen wird", sagte Merkel.

Müntefering lobt im Bundestag das Reformpaket

Mit einem Plädoyer von SPD-Fraktionschef Franz Müntefering für das Reformpaket von Regierung und Opposition hat im Bundestag die Marathon-Debatte über das Ergebnis des Vermittlungsausschusses begonnen.

"Die Substanz des Sozialstaates ist gesichert", sagte er am Freitag. "Das, was wir jetzt beginnen, ist wichtig für das Land und bringt Deutschland voran."

Bundesrat entscheidet über Nachtragshaushalt

Am Nachmittag stimmt auch der Bundesrat über die Reformvorhaben in den Bereichen Steuer, Wirtschaft und Arbeit ab. In beiden Häusern stehen auch noch weitere Themen auf der Tagesordnung, darunter das Renten-Notpaket der Regierung.

Der Bundesrat will zudem darüber abstimmen, ob er mit seiner Unionsmehrheit den Nachtragshaushalt 2003 und den Etatentwurf 2004 vorläufig stoppt. Der Bundestag entscheidet abschließend über Gesetze zum Sexualstrafrecht, zur Gentechnik und zur Terrorismusbekämpfung.

(sueddeutsche.de/AP/dpa)

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